Sommer, Wasser, Schiffe, Sternschnuppen, Augustträume! AUS DEM RUDER! ‚Aus dem Ruder’ rief Hans der am Steuer unserer Péniche stand. ‚Aus dem Ruder!’ Ich selbst befand mich am Bugspitz, allwo ich mich mit der verrosteten Ankerkette abmühte. Hans hatte mich am Morgen beauftragt diese einzuölen, den Rost abzuschmirgeln und überhaupt wie er sich immer auszudrücken pflegte, ‚die Angelegenheit zu einem guten Ende zu bringen’, wie wenn es ein schlechtes Ende einer Ankerkette geben könnte. Was wollte er mir mit seinem beinahe verzweifelten Zuruf ‚aus dem Ruder’ mitteilen? Eine Péniche lief doch nicht aus dem Ruder. Das war doch ein Begriff der Segler bei zu starker Krängung, wenn das Ruder nicht mehr greifen will und der Schiffskörper aus dem Ruder läuft, nicht mehr steuerbar wird, sich wild gebärdet, dem Steuermann aus der rigorosen Kontrolle flieht. Sich selbständig macht. Keinem Willen der Mannschaft mehr gehorcht. Aber auf einem behäbigen Flusskahn? Aus dem Ruder laufen in einem Kanal? Nein, Hans musste von bösen Träumen heimgesucht sein. Von Halluzinationen, oder gar Fata Morganas, glaubte wohl auf dem fliegenden Holländer angeheuert zu haben und nun dem Klabautermann anheim zu fallen. Ich fürchtete mich beinahe ein wenig davor, dass es um Hansens Verstand nicht zum Besten stehen könnte, dass er zu viel Sonne erwischt und womöglich nicht mehr Herr seiner Sinne sein könnte. Nun die beste Art sich unangenehmen Situationen gegenüber einem allmächtigen Skipper zu entziehen der doch alles bestimmt, ist nicht hinzuhören. Totes Ohr zu spielen, wie ich es in meiner Kindheit liebend gerne praktizierte. Und so wandte ich mich meiner Ankerkette zu, feilte, schmirgelte, ölte, als wenn davon meine Seeligkeit abhängen könnte. Ich stellte mir in meiner Fantasie vor ein Glied dieser Kette zu sein und diese verbundenen Glieder seien um die Weltkugel geschlungen und würden den Globus zusammen halten und falls nur ein Glied sich lösen würde, fiele die Welt auseinander in Milliarden kleinste Stücke, bildete dann eine Partikelwolke die auf anderen atmosphärischen Planeten Sternschnuppen bildeten an denen sich deren Bewohner in grusliger Ausgestaltung – ich stellte mir diese wie riesengrosse Regenwürmer mit Schneckenköpfen und Hundepfoten vor – erfreuen würden und dabei Wünsche aussprachen die die verglühenden Erdteile zu erfüllen hatten, Da ich ein solcher Kleinsttrümmerteil sein würde, ich bestünde ja dann aus Eisen wie meine Kette die ich in Händen hielt und pflegte, hätte auch ich einen solchen Wunsch zu erfüllen. Die Wünsche dieser Wurmpfotenhundeschneckenkopfgestalten seien aber so absurd, dass es mir das Leben kosten würde sie zu erfüllen und trotz Allem hatte ich dies zu tun! Ja stellen Sie sich nur vor es würde jemand von Ihnen erwarten, dass Sie mit dem warmen Blut das in unserem Körper fliesst die Höhle der Wurmpfotenhundeschneckenkinder in deren Traumfarbe rot anmalen... Halt! Traum! Ich träume ja beim Arbeiten, einzig um den lauten Rufen des Skippers ‚AUS DEM RUDER’ zu entkommen. Was meint er denn? Was sollen diese Rufe? Weshalb seine gellende Stimme! Warum reisst er mich aus meinen Kettenträumen? Ich will das Ende der Tagträumerei erfahren! Was ist wenn ich als Sternschnuppe verglühe? Was folgt danach? Werde ich ins Paradies einziehen? Oder ist es die Hölle die mich erwartet! Nicht einmal träumen darf ein Matrose mehr. Nicht einmal mehr träumen... In welcher Zeit leben wir denn? Ein Sklaventreiber ist er. Ich höre nichts. Sehe nichts. Rede nichts. Bin stumm wie ein Fisch. Weshalb kann er es nicht sein? Diese Rufe! Schwindelerregend!! Aus dem Ruder! Aus dem Ruder? Ich glaube es nicht... Plötzlich hebt der Bug vom Wasser ab. Nein das kann nicht sein. Steil steigen wir ins Blau des Himmels? Warum ist der Himmel blau? Da, weit unten ein weisses einsames Schäfchenwölkelein! Weiter steigen wir, durch die Atmosphäre, durch die Stratosphäre. Oh Himmel die Ankerkette ist gerissen. Durch den Weltraum rasen wir mit dem Schiff. Und diese ‚AUS DEM RUDER’ Rufe brechen nicht ab. Eine Sternschnuppe werden wir jetzt! Eine pénichierende Rotaufglühende Schnuppe. Ich hoffe einzig, dass ein Wurmpfotenhundeschneckenkind einen angenehmen Wunsch ausspricht. Echt, das hoffe ich! 2