DAS SCHACHBRETT Wenn Sie denken Fussball sei etwas für einfache Gemüter, für Proleten gar, sitzen Sie im Flugzeug nach ‚No where’, nach Nirgendwo, denn Fussball ist ein hoch komplexes, intellektuelles Spiel mit höchster Anforderung an ein menschliches Gehirn. Dies ist denn auch der Grund dass ich das Stadion nur mit meinem Rechner betrete und der hat achthundertsiebenundzwanzig Gigabytes, immer noch zu wenig für meinen Begriff. Aber mehr kann ich mir einerseits finanziell nicht leisten, andererseits würde der Rechner dann zu schwer. Ich gönne mir einen hervorragenden Platz, sage und schreibe Neunhundertachtzehn Mäuse, Mehrwertsteuer eingerechnet, kostet der Spass einer Saison-Dauerkarte in unserer Arena. Der Arena in der im Schnitt alle zehn Tage ein Heimspiel erfolgt. In zahllosen Tüftelstunden habe ich mir einen Tisch konstruiert auf dem mein Rechner ruhen kann. Vom Prinzip des Melkstuhls her, den ich in seiner Einfachheit schlichtweg als genial ansehe - ein einfacher Lederriemen über die Hüfte geschnallt mit einer einbeinigen Sitzfläche darunter, ermöglicht jedem Bauer oder Knecht das bequeme Sitzen beim Melken - schenkte ich meinem ‚Compi’, wie ich meinen Rechner zärtlich nenne, ein Standbein, das ich überall, selbst im Gedränge des Stadions zu festem Boden lassen kann, sodass mein Rechner voll gestützt dann, einsatzfähig wird. Dies ist von entscheidender Bedeutung, denn die Spielzüge der Mannschaften vorzuberechnen, selbstverständlich an Hand der bisher bei mir gespeicherten in der ganzen Clubgeschichte gespielten Partien, bedarf einer akkuraten Grundlage, die ich in Jahrzehnten harter, einsamer, aber hoch befriedigender Arbeit geleistet habe, von der Entwicklung des Programms, der Hilfsprogramme, der mathematischen Modelle bis zu eben besagtem Melkbein, das mir so unverzichtbare Dienste leistete, leistet und in Zukunft noch leisten wird. Durch diese Fron-Vorarbeit bin ich in der Lage beinahe mit hundertprozentiger Sicherheit die Zukunft eines Spiels vorauszusagen. Ich betone beinahe, denn Ausrutscher können stets entstehen, denken Sie doch nur an glitschigen Rasen, den ich von meinem Tribünenplatz nicht in gleicher Weise erkennen kann wie die Spieler. Also Unsicherheiten die nicht ein Fehler des Programms sind, sondern einer der Eingabe, was mich aufs tiefste beruhigt, denn nicht wahr ein Systemfehler, ja der würde unverzeihlich sein und eine persönliche Niederlage die ich nicht zu verkraften in der Lage wäre. In diesem Sinne bin ich mit dem bisher Geleisteten im grossen und ganzen zufrieden, wobei mehr durchaus mehr wäre und ich meine persönlichen Ziele wie ein Sportler höher ansetze als ein gewöhnlicher Mensch. Weltmeister möchte ich werden! Weltmeister in der Fussballsystemvorausplanungsberechnungsdisziplin. Verstehen Sie mich richtig, nicht etwa um Geld damit bei der Voraussage von Resultaten – dies ist der Tagesform wegen so oder so kaum möglich – auch nicht um Platzwetten abzuschliessen, das Einzige was mich als Faszinosum treibt, ist die Wissenschaft der Voraussage, die Spielzugsanalysezukunftsforschung. Mit meiner Arbeit hätte ich längst den Doktor Honoris Causa verdient, doch will ich diese erst veröffentlichen, wenn auch die letzten kleinen Mängel behoben sind. Nicht dass ich etwa Angst vor der blamablen Blamage hätte, nein, im Gegenteil, doch ist der Fussball eine zu ernste Sache um damit leichtfertig umzugehen und meine Forschung, eine Erfindung ist es keineswegs, meine Forschung kann die Rundelederwelt eckig werden lassen und ich denke hier nicht an Eckbälle die ja bei mir eingerechnet und verarbeitet werden, nein, ich denke an die Trainer und Spielführer, an die Präsidenten und Geschäftsführer, die einmal ein solches Instrument in Händen, ihre Clubs noch vermehrt aufzurüsten in der Lage wären. Und denken Sie welche Katastrophe entstünde wenn ein Fehler sich einschleicht und statt X, Y zum Einsatz gelänge, nur auf Grund der Trainingsanalysen eingegeben in mein Programm und in einen fahrbaren Gigarechner. Wissen Sie ich befürchte dann Schaukämpfe von Rechnern auf beiden Seiten und frage Sie höflichst, das kann doch nicht der Zweck eines solch genialen Programms sein. Nein, im Gegenteil das System soll die Spiele noch spielerischer, noch attraktiver, noch anziehender machen, ich will nichts anderes als die Menschen froh zu machen, nein die Steigerung von froh, fröher, am fröhsten, ja, da staunen Sie. Ich bin ein Wohltäter. Ein Weltverbesserer. Einer der für kommende Generationen zu sorgen gewillt ist. Für das Wohl der Jugend. Oh Himmel wenn ich so zuhöre was ich Ihnen zu erzählen habe, da bemerke ich, dass die Steigerung von froh nicht fröher sein kann, so wenig wie diejenige von Wohl wohl Wöhler lautet. Aber entschuldigen Sie bitte! Jeder Mensch hat irgendwo seine Schwachstellen und bei mir ist das die Steigerung. Jetzt aber lassen Sie mich bitte weiterarbeiten an meinem Super- Super-Ding. Ich unternehme dies ja auch zu Ihrem Wohl, Wohle, am Wohlesten... oder am Wohlsten Übung macht den Meister, wie beim Fussball... 2