DER JOB KONVEKTOR Im Unternehmen dem ich als kleine Zelle – ich bin Pfortenwärter 3. Klasse – angehöre, wird stramm geforscht. An der Pforte bekomme ich Vieles mit. Hier jagen sich die Worte! In einer Geschwindigkeit die kaum vorstellbar ist, denn schliesslich sind die Damen und Herren Doctores aus der Forschungsabteilung stets in Eile und geben Wort um Wort die Hand, bilden so wahre Wörterketten und Wortkaskaden, die dann bei so viel versammelter, hoch bezahlter Genialität zu weltbewegenden Forschungsresultaten führen kann, um unser Leben dadurch nachhaltig zu verwandeln. Klar, ich kann einzig einzelne Worte einfangen an meiner Pforten-Loge, denn bei der Geschwindigkeit, sowie den Geheimhaltungsusanzen unseres Hauses, liegt mehr schlicht nicht in der Wahrscheinlichkeitsrechnung die ich als Pförtner selbstredend perfekt zu beherrschen habe. Denn vergessen Sie nicht, Worte sind beredt, plaudern gerne und als Geheimnisträger eignen sie sich keinesfalls. Aber wie das Leben so mitspielt, auch Worten, obwohl diese einen geringen Lebensstrahlungsmittelwert in sich wissen. Es war an jenem Wintertag bitter kalt und der eisige Wind liess mich bei jeder Scheibenöffnung - ich versuchte diese auf ein Minimum zu reduzieren - bis in die Grundfesten meiner Knochen erzittern. Kaum waren mehr meine Hände eines Gefühls mächtig, als eine Gruppe eingemummter Wissenschaftler (es waren ihrer Pelzmützen und fellbewehrten Mänteln wegen sicher Russen) das Tor in Begleitung des Generaldirektors, einen Schwall unverständlicher Worte in einem Atemdunstschleier hinter sich lassend, passierten. Mir blieb nichts anderes übrig als höflich meine Mütze zu lüften, was ich wohlverstanden bei dieser Kälte nur beim obersten Boss vollzog, denn mein kahler, alt gedienter Kopf erträgt eisiges Wetter nur noch schlecht, als ich bemerkte, dass all die Worte auch erbärmlich froren und leise aber rhythmisch an meine Scheibe pochten, um, so ging ich davon aus, sich an meinem warmen Ofen zu entfrieren. Dass diese aber Asyl in meiner Klause zu begehren wünschten, überraschte mich sehr, denn kaum war ein Hauch eines Spaltes der Schiebescheibe durch das Zutun meiner gefühlslosen Finger offen, wurde ich regelrecht von diesem unverständlichen Wortschwall überfallen. Er setzte sich in jede Ecke meiner Pforte, erfüllte sie mit fremdartigsten Geräuschen. Verstände ich doch nur diese Sprache, ich wüsste wohin die Menschheit treiben wird, flüsterte ich lauthals vor mich hin, denn in diesem Geschwätze musste ich, um mich selbst zu verstehen, wesentlich lauter denken als ich das gewohnt war. „Du verstehen nicht?“; kamen drei Worte sich an den langen Schnörkeln haltend – es musste sich um Worte vergangener Zeiten handeln so altertümlich sahen sie aus – auf mein linkes Ohr zu. Ich wehrte die Worte ab, als seien es lästige Insekten. Denn, wer will schon ein Gespräch mit Worten führen! Doch sie liessen nicht locker, übertönten das in meiner Pforte herrschende Tohuwabohu: „Du strenges Geheimnis Menschheit wissen wollen?“; waren die nächsten Worte, wobei ich so Erstaunliches feststellte, dass ich mich an meinem Drehstuhl festhalten musste, denn die drei ursprünglichen ‚Du verstehen nicht’ hatten sich gespalten, es waren jetzt sechs aus ihnen geworden und ich begann zu verstehen weshalb der Geräuschpegel so ansteigen konnte. Denn wenn in weniger als einer Sekunde aus drei sechs Worte wurden, drohte meine kleine Welt in der Pförtnerloge bald ausser Rand und Band zu geraten. Ich dachte an Atomspaltung und was dabei Schreckliches zu Stande kam. War bei Worten nicht dasselbe zu befürchten? Geheimnis hin oder her, ich wollte gar keines mehr wissen, die Wirklichkeit war bedrohend genug und wissenschaftliche Pläne, nein danke, es gab in dieser Welt für mich bereits so viel nicht Verständliches, was wollte ich diese kritische Masse noch vergrössern. Da würde darob sonst mein Kopf platzen, dachte ich, doch liessen die Worte mir keine Ruhe. Wissen Sie wie das ist, wenn Ihnen jemand unbedingt ein Geheimnis anvertrauen, was heisst da anvertrauen, aufladen, aufbinden, anhängen will? Es ist zum Verzweifeln, denn auch wenn ich nichts davon wissen wollte, begannen meine Hirnzellen Neugier zu entwickeln die ich mit aller Mühe zurückzudrängen hatte, ähnlich wie es Ihnen auch ergeht wenn sie in einem Konzert an einer eindrücklichen leisen Stelle die Huster zurückhalten wollen und schlussendlich Nolens Volens auf die Verliererbahn geraten. Nachgeben müssen zum Entsetzen der Nahbaren, die wohlig sich in den Tönen, als sei es ein Bad, zuvor geräkelt hatten und nun durch die Bronchial Aufstösse in die rohe Wirklichkeit geschleudert werden. Ja, Meine Sinne wollten das Geheimnis kennen. Unter allen Umständen, aber ohne Umstände zu kreieren, während dem mein Verstand sie vor dem Wissen warnte, denn Wissen sei nicht nur Macht, wie die einen sagen, sondern oft auch ein entsetzliches schwarzes Loch das einem einzusaugen in der Lage sei. So wogten in mir die Pro und Contras, während um mich herum der Spaltungsprozess der Worte ungehindert in rasender Geschwindigkeit vor sich ging, Wortschätze taten sich auf, die ich nie erahnt hätte, Korbweise schleppte jedes Wort andere herbei. Wagenweise dann. 1783 Sprachen waren jetzt vertreten, scherzten, lachten, begannen sich zu balgen, führten Feldzüge gegeneinander. Romeo und Julia knieten vor einander nieder, schworen sich ihre Liebe, ohne sich zu verstehen. In Ameisensprache trieben sich die Worte an mehr zu produzieren, dreihundertzwölffaches Gewicht zu stemmen und immer noch –so vermutete ich – um das Geheimnis der Wissenschaftler, welchem ich keinerlei Bedeutung zuzumessen bereit war zu entschlüsseln. Denn was gingen mich diese fremdartigen Denkprozesse schon an. Sollten sie doch erfinden was sie wollten. Mich berührt es nicht! Doch plötzlich war ich wie versteinert. Ich hatte ein Wort erlauscht, ein einziges in meiner Sprache und das liess mich nie mehr los. Auch heute nicht, drei Monate nach besagtem Vorfall. Das Wort hängt wie ein Damoklesschwert über meinem Haupt. Können Sie mir weiterhelfen? Mir meine Ängste nehmen? Mich beruhigen? Denn was soll die Erfindung des ‚JOB KONVECTORS’ nur bedeuten? Es schwirren so viele Gedanken in meinem Kopf, alle in Sonntagskleidern gewandet. Helfen Sie mir doch! 2