Doping Aus dem Buch ‚GESCHICHTEN DIE DER FUSSBALL SCHRIEB‘ Von François Loeb, ISBN 978-3-7165-1543-3 „Also bei uns im Fussball nicht! Doping? Ein Fremdwort! So fremd, dass es in unseren Kreisen gar nicht bekannt ist. Da kommt es auf wesentlich anderes an im Fussball, als dass zu Aufputschmitteln gegriffen würde. Nicht dass ich die anderen Sportarten beschuldigen möchte. Keineswegs! Aber bei uns braucht es neben den Muskeln und dem berühmten Ballgefühl ganz viel graue Substanz. Ja, Hirnschmalz sagen die einen. Ich nenne es Intelligenz. Chemische Mittel haben da keine Chance. Wobei ich doch insofern einschränken muss, dass sich im Körper bei jeder Ballabgabe chemische Prozesse abzuspielen belieben, aber – wo denken Sie denn hin – nicht äusserlich gesteuerte! Also jedes Laboratorium darf bei uns testen kommen. Ich betone: jedes! Wir haben nichts, rein gar nichts zu verbergen, ehrlich. Fussball ist eine saubere Angelegenheit. Doch wenn wir schon dabei sind, dann darf ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Aber nicht weitersagen, versprochen? Hand aufs Herz! Also, wenn bei uns beeinflusst wird, dann auf ganz andere Weise. Manche Klubs haben Schamanen angeheuert, die die Leistung ihrer Spieler mit Zaubersprüchen zu beeinflussen versuchen, ich weiss nicht, ob schamanisches Tun als Zauber am exaktesten definiert ist – wir in unserem Steckenpferdfach lieben neben der präzisen Ballabgabe auch die genaueste Wortangabe, es gibt, da bin ich mir sicher, ein zutreffenderes Wort, ich werde dieses suchen, finden und Ihnen bei Gelegenheit nachliefern. Andere Fussballvereine setzen Fernhypnotiseure ein, auch Mentalbeeinflusser genannt, die den Gegner demoralisieren sollen. Aber ehrlich, wer glaubt denn schon an so was? Doch, das sagen die Mächtigen im Klub, wenn es nichts hilft, so schadet es auch nichts, wobei sich nicht allein der Vorstand in solche Grauzonen begibt. Nein, es sind oftmals einfache Fans, gar keine Klubmitglieder, die Geheimwissenschaften bemühen, um Einfluss zu nehmen, und – ich will das nicht abstreiten – wenn Hundert oder sogar tausend Hirne zur selben Zeit das selbe denken, dann mag das durchaus eine Wirkung zeigen. Auf alle Fälle denken viele Fans nach einem Sieg, dieser sei ihr Werk. Ihr Sieg. Ihr Denken habe den glücklichen Ausgang erbracht, der eine Siegesfeier erst ermöglicht. In unserem Verein sind wir in diesem Punkt wesentlich weiter. Vor Jahren hat ein kluger Kopf – er war wirklich so klug, dass ihn kaum jemand mochte – vorgeschlagen, einen Geheimklub innerhalb unseres Vereins zu schaffen: den Denkerklub. Ein wunderbarer Name, finden Sie nicht auch? Und für eben diese exklusive Gesellschaft – nein, haben Sie keine Angst, es wird dafür kein zusätzlicher Mitgliedsbeitrag erhoben, vielmehr ist es eine hohe Ehre, dort dabei zu sein – in eben diesem inneren Kreis wollte ich Sie einladen mitzuwirken. Sie sind mir bereits an einigen Spielen durch Ihre Ernsthaftigkeit aufgefallen, sodass es heute Zeit war, Sie in aller Bescheidenheit anzugehen. Übrigens, nicht nur kostet Sie diese Mitgliedschaft nichts, nein, Sie erhalten eine Jahreskarte für die Haupttribüne und bekommen Zugang zum Allerheiligsten, der Club Lounge – eine Ehre, die nicht allen Menschen zufällt. Aber Ihnen fällt Sie zu, Ihnen, weil Sie jung, gesund, intelligent, für den Verein daher nicht nur nützlich, sondern fast unentbehrlich sind. Unentbehrlich für unser System. Denn, wie ich Ihnen vorhin darlegte, hat jede Mannschaft, auch unsere erste – nicht umsonst belegen wir seit Jahren den Spitzenrang –, ihr eigenes System, die Fortüne zu beeinflussen, zumindest glauben wir daran, dass wir dies vermögen. Dass Glaube Berge versetzt, steht ja bereits in der Bibel. Und für eben dieses System sind Sie dank Ihres jugendlichen Alters und der frischen Gedanken in Ihrem Kopf von unschätzbarem Wert. Zögern Sie also nicht, machen Sie mit, Sie werden sportlichen Ruhm erlangen, in unsere „Hall of Fame“ eingehen, und, ich betone noch einmal, das kann beileibe nicht jeder. Ja? Sie machen mit? Danke schön! Herzlichen Dank im Namen des Präsidiums, der Mannschaft und des gesamten Vereins. Ab jetzt können Sie sich Ehrenmitglied nennen, ich habe die Ernennungsermächtigung in der Brusttasche meines Jacketts. Kommen Sie! Kommen Sie, wir müssen uns beeilen, morgen, Samstag, ist das Spiel, und Sie wollen doch sicher auch, dass wir gewinnen. Verdient siegen. Den Gegner vom Felde fegen. Mit zweistelliger Tordifferenz ihm seinen Stolz wegpusten. Ja! Kommen Sie, ich zeige Ihnen unsere Ruhmeshalle, dorthin gehen wir jetzt. Sie sind ja nun Mitglied, oder doch sogleich und unmittelbar, dieses erlesenen Kreises. Ängstigen Sie sich nicht, ob der skurrilen Anordnungen, die Sie gleich zu sehen bekommen. Jedes System, auch der Woodoozauber unserer Gegner, ha ha ha, obwohl unbrauchbar – sehen Sie nur, wo diese Mannschaft in der Tabelle steht –, hat seine Eigenheiten, so auch das unsere, das will ich Ihnen nicht verschweigen. Kommen Sie, wir steigen hier die Wendeltreppe hoch, achten Sie auf Ihre Schritte, die eine oder andere Treppenstufe ist bereits leicht marode – gehört ja zum System, ha ha –, aber Sie sind sportlich und jung! So, hier wären wir nun angekommen, auf dem Dach der Arena, in den Eingeweiden dieser Kultstätte sozusagen, oder noch besser ausgedrückt: in deren Gehirn. Nein, nein, haben Sie keine Angst, treten Sie ruhig ein, machen Sie sich keine Sorgen, all die stummen Männer, die hier sitzen, helfen uns, darum ihr ausdrucksloses Gesicht, die haben uns alle sehr geholfen: je ein Mann für einen Sieg. Keine Bange, bitte schön. Nein, zurück können Sie nun nicht mehr gehen, die Lücken in der Wendeltreppe sind inzwischen zu gross. Vorwärts, vorwärts jetzt! Achten Sie nicht auf den grossen Sauger, der Ihnen gleich übergestülpt wird, auch der gehört zum System, wie der Woodoo-Zauber, ha ha. Der wird Ihnen jetzt helfen, schön zu träumen …“