ZOLL Ja, wenn ich über den Zoll fahren muss ist das immer so eine Sache. Ich selbst habe nichts zu deklarieren. Aber was weiss ich von meinen Fahrgästen? Nichts. Absolut nichts. Die können ja Koffer voller Rauschgift befördern und dann behaupten der Koffer sei nicht ihr Besitz. Solchen Gedanken hänge ich immer nach wenn ein Passagier über die Landesgrenze fahren will. So auch vor weniger als einem Jahr. Es war ein regnerischer, nebliger Herbsttag. Die letzten farbigen Blätter segelten an ihrem Lebensende selbstmörderisch zu Boden. Bildeten eine rutschige Strassenunterlage auf die ich bei meinen Bremswegberechnungen zu beachten hatte. Also fuhr ich gesittet. Nicht einmal die maximal erlaubte Höchstgeschwindigkeit, die ich sonst nie ungenutzt vorüber streichen liess fuhr ich auf dem Weg in das Städtchen jenseits der Grenze. Mein Fahrgast war ein wild aussehender Punker oder Rocker. Ich hatte und habe immer Mühe die beiden Gruppen auseinander zu halten, beide waren mir zutiefst unsympathisch, meine Nackenhaare revoltierten bereits bei ihrem Anblick. Doch haben wir eine Beförderungspflicht gemäss städtischem Taxireglement, obwohl es kaum Sanktionen gab, wenn wir uns dem Warninstinkt beugten, eine Person nicht mitzunehmen gewillt waren. Aber an diesem Tag den ich beschreibe war ein anderer, plausibler Grund ausschlaggebend. Ich hatte am Hauptbahnhof zuvor geschlagene Zweieinhalbstunden in der Taxischlange auf Passagiere gewartet und wollte meinen mühsam erreichten ersten Platz nicht aufgeben, denn meine Kollegen konnten, wenn ich eine Fahrt verweigerte, mich von der Pole Position vertreiben. Uns das wollte ich nicht riskieren. Besonders dann nicht als das wild aussehende männliche Wesen mir das lukrative Fahrziel jenseits der Grenze nannte. Denn nach dem Zoll können, oder müssen wir unseren Taxameter auf Ausland stellen, was den Kilometerpreis beinahe verdoppelt. Der Fahrgast, das Wort Gast fällt mir bei diesem, meinem Passagier, ich gebe es ehrlich und offen zu, ziemlich schwer, der Fahrgast lud einen schweren Koffer in mein Heck, ich erinnere mich genau, dass ich danach Mühe hatte die Klappe wieder ganz zu schliessen, damit diese korrekt einrastete. Ich war gleich überzeugt, dass es keine einfache Fahrt werden würde, denn die Zöllner, das habe ich in meiner jahrelangen Fahrpraxis gelernt, haben einen siebten Sinn für Schmuggelwaren. Als der Mann dann noch bemerkte er würde lieber die Landroute nehmen, bei der in unbesetzter Zollübergang die Grenze darstellt, war ich meiner Sache bereits zu neunundneunzig Prozent sicher. Ich erklärte ihm dann, dass nach zwanzig Uhr es verboten sei dort durch zu fahren, wir hätten die Landesgrenze über das Hauptzollamt zu queren. Er zeigte keine grossen Emotionen als ich ihm das eröffnete, ich nahm an, dass er auf die Abendmüdigkeit der Beamten zählte, oder war er so durchtrieben, dass er diese Fahrt absichtlich während des Fussballländerspiels, das auf allen Fernsehkanälen übertragen wurde, angesetzt hatte, in der Überzeugung dass auch die Zöllner gebannt vor dem Flimmerschirm sitzen würden. Es war, das war für mich sonnenklar, nicht meine Aufgabe die Grenzbeamten auf meinen Verdacht aufmerksam zu machen. Jedem seine Arbeit, jedem seine Aufgaben, jedem sein Beruf, dachte ich die Worte vor mich in die Dunkelheit des Fahrersitzes flüsternd. Sie müssen wissen, dass meine Frau mir vor zweiundzwanzig Jahren ein kleines Plüschäffchen geschenkt hatte und ich mit den Jahren der Taxifahrereinsamkeit die Angewohnheit, man kann es auch Schrulle nennen, angenommen hatte mit Xavier, so habe ich mein Maskottchen getauft, zu reden. Ich sah bereits die Lichter des Übergangs, fuhr unbehelligt durch die Zickzackbahn der Grenzbehörde unseres Landes. Tatsächlich sah ich im Zollhaus das Flackern des bläulichen Fernsehlichts. Doch beim Einfahrtszollamt des Ziellandes stand ein martialisch ausgerüsteter Beamter mit einem Handscheinwerfer in der Hand. Er leuchtete ins Fahrzeug. Zuerst richtete er den gebündelten Lichtstrahl auf mich, nickte leicht mit dem Kopf. Er musste mich wohl der vielen Fahrten wegen kennen. Dann erreichte der Scheinwerfer meinen Fahrgast. Ich dachte, so der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gut, dass solche Pläne nicht aufgehen, sonst könnte ja ein jeder stattliche Stellen und somit die Gesellschaft überlisten. Aber da geschah etwas was ich nie und nimmer erwartet hätte. Der Lichtstrahl erfasste den Mann, der Beamte schien zu erschrecken, doch dann überzog sein Gesicht ein beinahe überirdisches Strahlen. Er riss den Wagenschlag auf, umarmte den Mann und rief mir zu: „Mein Bruder, endlich kommt er nach Hause!“