Kurzgeschichte der Woche

Baumschule

Seit zwei Jahrhunderten war die Baumschule in unserem Familienbesitz. Sie war mir mit Muttermilch ans Herz gewachsen. Ich nahm an, dass über die langen Jahre in der väterlichen Genreige ein Apfelgen den Eingang ins Erbgut gefunden hatte, denn wie sonst, war ich doch ein Technikfreak, konnte das geschehen sein. Ich hing alle meine Ingenieurs-Träume in den Speicher meiner Seele, fein säuberlich verpackt für mein nächstes Leben und trat in die Fußstapfen meines Erzeugers, obwohl diese für mich, so sah ich es damals, viel zu groß waren! Denn er hatte neue Sorten gezüchtet. Bäume gepfropft. Den Ertrag verdoppelt. Die Baumläuse und Wurmeier mit einer eigen entwickelten Pestizid-Mischung zum Aussterben gebracht. Stolz saß er in seinen letzten Tagen, Rollstuhl bewehrt, in seiner Schule. Beobachtete im Frühjahr die Bienen beim Befruchten. Im Sommer das Wachsen der Früchte und im Herbst das rote Bäckchenkriegen der zur vollen Reife schreitenden Äpfel. Leider, oder glücklicherweise konnte er die Ente nicht mehr miterleben, denn diese ließ sich in jenem Jahr nicht mehr absetzen. Der neue Trend der Verbraucher, sich einzig mit hässlichen, befleckten Bio Früchten einzudecken, forderte ihren Zoll. Meine roten makellosen Früchte wanderten für einen Zehntel ihres Wertes in die lokale Mosterei und konnten in den abgefüllten Flaschen weder den Trumpf ihres Aromas, sie wurden mit Fallobst vermischt, noch ihre herrliche natürliche Farbe entfalten. Ich stand vor einem Scherbenhaufen. Wusste weder ein noch aus. Zwar hatten lokale Bauträger bereits bei mir angeklopft, wollten mir das Land, auf eine zukünftige Erschließung spekulierend, für einen Pappenstiel abkaufen. Ich aber hätte das als Verrat an den Familientraditionen empfunden, mein Herz wäre über eine solche Tat bestimmt zerbrochen.

Ich musste eine andere Lösung finden. Nächtelang lag ich mich im Bett wälzend und mit meinen düsteren Gedanken kämpfend wach. Meine Freundin bemerkte die schwarzen Augenringe in meinem Gesicht und bezichtigte mich einer anderen Frau Nachtens zu Diensten zu sein. Als ich ihr zu verstehen gab, dass die ‘andere Frau’ Baumschule hieß, um deren Zukunft ich bangen würde, gab sie mir den Laufpass. Ich saß, nun allein und verlassen mit meinen Traditionen und wusste weder ein noch aus. Eines Morgens, ich hatte mir gerade meinen kleinen Schwarzen zubereitet der seinen herrlichen Geruch verbreitete, suchte mich ein Gedankenblitz heim der meine düstere Stimmung hellerleuchtend unterbrach. Die Idee war so glänzend, dass diese mich beinahe zu Boden warf. Das Einzige was noch zu organisieren war, welchen Weg ich zur Erreichung dieses so weltumspannenden Ziels einzuschlagen hatte.
Wie konnte ich eine Organisation aufbauen die es den Bäumen ermöglichten die Herrschaft über die Menschheit zu erlangen? Denn so wären die Investitionen und die Arbeit vieler Generationen nicht nutzlos gewesen, vielmehr würden die Bemühungen von acht Generationen Baumpflegern sich als von entscheidender Bedeutung herausstellen.

Und ich, der jetzt auf der Verliererbahn den Lebensweg am Herabrutschen war, wäre der Baumheld, derjenige welchem die Bäume ein Denkmal, wenn möglicherweise auch nur virtuell, zu setzen gezwungen wären. Eine Baumrevolution! Ich hatte diese nur anzuzetteln! Legte mich im Hochsommer während dreier Wochen an einen zentralen Punkt meiner Baumschule, dort wo Ost und West, Süd und Nord sich kreuzten. Ass nur Äpfel. Reife und Unreife. Versuchte die Baumsprache in meiner Baumschule zu erforschen. War nach diesen drei Wochen so schlau wie zuvor. Aber dann versank ich in eine erneute Depression aus der mich erst die Betrachtung der vergangenen Zeiten in der unsere Baumschule tätig war erlöste. Die Bäume, so flüsterten mir meine Gedanken zu, haben längst ihre mafiösen Organisationsstrukturen aufgebaut. Und Menschen mit immer neuer Steigerung der CO2 Produktion dazu gezwungen, natürlich unserer Bequemlichkeit wegen, die sie schamlos ausnutzten, ihre Lebensgrundlage, ihre Nahrungsquelle zu erweitern. Als ich dann, ich weiß nicht wie viele Jahre und Jahrzehnte ich unter den Apfelbäumen hauste, plötzlich Atemnot verspürte, wusste ich, dass die Baumheit den Sieg davon tragen würde ...




Dreisatzroman der Woche

O L I V E N M E E R

Der Olivenbaum am Hang zum Meer, der Dritte rechts, mit dem gekapptem und verbogenen Stamm, erzählte mir mit Windessäuselstimme letzte Nacht, von seinem Sehnen nach dem neuen Raum.

"Olivenbäume", flüsterte er mir in mein linkes Ohr, "werden alt und wenn die Kraft dann ihnen fehlt die Sonne zu verehren, versinken sie im Olivenmeer, nein das kannst du nicht sehen, es ist das Meer, das jedes Wesen in sich trägt".

Wie die Sonne den Berg besteigt, mir in die geschlossenen Augen scheint unter dem Olivenbaum, horch ich in mich hinein und höre leise die neue wunderbare Seelenwellenweise


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Ein Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 28. Juli 2017 schrieb H.K.:

Mein lieber Herr Loeb, ein sehr schöner Text! Mit einem melancholischen Finale nach einer innovativen Wende. Ihre Fantasie, wie stets, gepaart mit dem präzisen Sprachausdruck! "


"Baumschule" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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