Ja! Bald ist es soweit! Die Ferien- und Urlaubsbilder sind wieder da! Wie in folgender aus meinem unter meinem Pseudonym Bruno.A. Nauser erschienen Band Wegwerfwelten. Fast-Read-Romane Verlag: Benteli, Autor: François Loeb alias Bruno A. Nauser, Sammlung der in der Neuen Zürcher Zeitung, Zürich jeweils am Wochenende erschienen Fast Read Romane. Erscheinungsjahr 1984, ISBN 3-7165-0966-3 DIA-LOG EIN FAST-READ-ROMAN Wie üblich waren wir - meine Frau und ich - im September bei Poliakovskys, unseren Nachbarn schräg gegenüber, zum schwarzen Kaffee eingeladen. Poliakovskys hatten seit letztem September eine neue Kaffeemaschine, dem Kaffee sah man es an, aber auch der Flaltung, mit der Herr Poliakovsky den Kaffee hereintrug, und dem liebevollen Blick, den er den Schäumchen, die auf den Kaffeetassen fast schwerelos schwebten, zuwarf. Nach dem Kaffee, den üblichen belanglosen Worten - sogenannten Abtastern, wie meine Gemahlin trefflich zu umschreiben wusste -, nach den belanglosen Worten also das übliche Hinführen des Hausherrn auf Ferienerlebnisse und die anschliessende, wie ein treffsicher auf die bereits beeindruckte Beute abgefeuerter Pfeil gestellte Frage: «Wollt ihr unsere Dias sehen?», nahm keine Notiz vom zögerlichen «Ja, aber wir haben einen Kuchen in der Ofenröhre» - dies auch schon eine rituelle Antwort -, stellte die bereits bereitgestellte Leinwand auf, den Diavorführprojektor auf seinen vorbestimmten Platz in der Ecke des Büchergestells. Das «Duden-Fremdwörterlexikon» und Avrutschenkos «Die gesunde Äpfeldiät... wohlbehalten und sicher ins Neunzigste» dienten als Unterlegung des Projektors, um den Strahl auf die Leinwand und nicht daneben auf die offene Tür der Hausbar zu lenken. Herr Poliakovsky legte die - das konnten wir bemerken - wohlgefüllte Trommel ein, schloss den Apparat ans Stromnetz, schloss die Läden und Fenster, löschte das Licht und begann voller Inbrunst über Xelia, die verlorene Insel in der Ägäis, zu berichten, ja zu schwärmen. Er zeigte Sonnen-Auf- und Niedergänge, Mondlichtstrände, Tische, die sich unter Mittagsbuffets bogen, Hubers beim Jassen, die Kinder im Plantschvergnügen, Frau Poliakovsky pudelnass unter der Schwimmbaddusche. Und nun, sagte Herr Poliakovsky, komme der Höhepunkt, der Ausflug zur Spinnenfarm, in der echte, giftige Spinnen gezüchtet, das Gift zur Herstellung von Immunolaten jeder Spinne einzeln abgesogen werde, wobei zu berücksichtigen sei, dass dies eine äusserst gefährliche Tätigkeit darstelle, genüge doch bereits ein hauchfeiner Tropfen des Gifts, das über Poren leicht eindringe, zu einem unvermittelten Sekundentod, was auch geschehen sei, zwar vor einigen Jahren schon, als noch ohne Schutzanzüge, also wie ein Bergsteiger ohne Seil, gearbeitet wurde. Das erste Bild zeigte den Eingang zur Farm, von dem spinnenförmig die Wege zu den Spinnenställen abzweigten. Ich muss zugeben, plötzlich begann meine sonst übliche Langeweile zu verfliegen. Mit allen fünf Sinnen starrte ich auf die Leinwand, wo jetzt die Ställe - grosse, viereckige Schachteln aus rohem Holz - zu sehen waren. Kurz darauf ein Blick in den leeren Giftentnahmeraum mit seinen Apparaturen, die an Melkmaschinen erinnerten, und Menschen in Schutzanzügen. Eine Spinne hatten wir bis jetzt nicht zu sehen bekommen. Dramaturgisch geschickt sparte Poliakovsky den Höhepunkt auf, knipste das Deckenlicht wieder an, fragte, ob wir noch Kaffee wünschten. Wir verneinten. Wollten endlich die Spinnen oder doch zumindest eine Spinne sehen, was Poliakovsky versprach. Sogar eine Fütterung sollten wir erleben können, versprach er und entschuldigte sich gleichzeitig, er müsse schnell... Als er wieder eintrat, trug er einen Schutzanzug. Wie wir ihn auf dem Dia gesehen hatten. Wirklich, so viel Originalität hätte ich Poliakovsky nicht zugetraut. Als auch seine Frau im Schutzanzug erschien - wir hatten sie gar nicht hinausgehen sehen - lachten wir beide herzlich über so viel Kreativität. Und wir hatten gelä- stert über diesen Besuch, weit vor diesem Besuch. Sprüche hatten wir geklopft. Von Langweile. Von Zündhölzern-zwischen-die Lider-Klemmen, um nicht einzuschlafen. Wer weiss, vielleicht hatten sie uns belauscht. Deshalb dieser Auftritt. Als aber Polia- kovskys Frau die rohholzige Kiste hereintrug, die Zimmertüre sorgfältig verschloss, die Falltüre an der Kiste öffnete, einige der Spinnen mit hungrigen Blicken gezielt auf uns zuliefen, hatten wir die Gewissheit, dass Poliakovskys Versprechen, eine Fütterung zu erleben - dem wir nicht getraut hatten -, wahr war... 2