In den Berner Bergen weilend hier eine Hüttengeschichte! DAS VERSPRECHEN Als Hüttenwart erlebt man ja schon allerlei! Vor allem, wenn man einer grossen Hütte vorsteht, welche Sommer über Sommer an die 5500 Übernachtungen zu verzeichnen hat. Arbeit ist das, aber wir dienen ja unseren Gästen und ich bin über jedes Lächeln froh, welches ich erzeugen kann und das sind nicht wenige im verlaufe eines Jahres. Aber, wenn sie mich so fragen, was ein Berglerherz besonders berührte, kann ich ihnen vom VERSPRECHEN berichten. Es war eines Abends - ich sehe alles, als hätte es sich erst heute ereignet, noch vor mir – die Uhr zeigte bereits gegen Acht, es ist die Zeit, in welcher ich nach dem Abwasch des Geschirrs des Nachtessens, welches ich Abend für Abend unseren Gästen bereite, an die frische Luft gehe, zum 'verlüften' sozusagen, aber auch, um das Wetter zu beobachten, muss ich doch morgens jeweils gegen drei Uhr entscheiden, ob die Bergsteiger zu wecken seien, damit sie ihr Ziel, den Viertausender zu erreichen, rechtzeitig unter die Füsse nehmen können. Wenn, wie an jenem Abend, die Wolken über den Grat da drüben fallen, genau wie heute, ja sehen sie dort, ist das kein gutes Zeichen. Nun beim betrachten des Grates, schaue ich auch immer ins Tal, von wo die Serpentinen des Bergpfads zu meiner Hüttee führen. Und an Abend von dem ich Ihnen erzähle, ich werde es nie vergessen, sah ich weit unten, zwei Punkte, einen grösseren hinten und einen kleinen vorne, in - so schätzte ich es ein - extrem langsamen Schrittes bergan steigen. Ich nahm mein Fernglas zum 'Spiegeln' wie wir Bergler den Gebrauch des Fernglases nennen, um zu sehen was denn da so spät abends für Schneckenmenschen im Anzug seien. Wie gesagt, wir sind ja allerlei gewohnt, vor allem in den letzten Jahren. Es gibt Touristen, die verwechseln uns mit einem Aussichtshotel, haben keine Ahnung von den Bergen... und wie ich so 'spiegle' und denke, da seien wieder einmal Exemplare dieser unangenehmen Spezies im Anzug zur Hütte, traue ich meinen Augen nicht. Ich sehe eine kleine blonde Göre vorab Schritt für Schritt bergan gehen, einen schweren Bergrucksack am Rücken, der sie beinahe zu Boden drückt, die Hand aber nach hinten reichend, mit der sie einen Greis führt, welcher gebeugt und unsicheren Ganges, ihr mit bestem Willen zu folgen sucht, dies jedoch kaum zu schaffen weiss. Ich sehe wie er den Kragen gelockert hat und wie seine Brust sich rasch bewegt, der alte Mann mit weissem Haar, scheint vollkommen ausser Atem. Wenn die zwei im Schneckenschritt weitermachen, dachte ich, werden sie weit nach Einfall der Dunkelheit hier zur Hütte gelangen, denn der Weg mit seinen groben Steinern und den Felstritten im Steilhang ist Nachts alles andere als leicht zu gehen. Davon kann ich mehr als ein einziges Lied von Hilfsaktionen singen, an welchen ich beteiligt war! Aber solche geschahen meist bei schlechtem Wetter, Nebel, Schneeeinfall im Sommer, Berggewitter und Hagelsteinschlag. An besagtem Abend aber strahlte die Sonne, doch in neunzig Minuten würde sie hinter den Bergspitzen rote Schatten werfend verschwinden. Was mir Sorge bereitete, war der Neumond dieses Tages und die Sterne - das wusste ich von manchem Nachtaufstieg nach Feiern bei Freunden - erleuchteten den Weg nicht zur genüge, sodass ich befürchtete die zwei Pünktlein da unten könnten sich verlaufen, die Hütte nicht zu finden in der Lage sein. 'Nun', beruhigte ich mich selbst, 'die müssen ja wissen was sie tun. Ein so alter Herr sollte ja berggängig sein, wenn er mit einem Kind in die Felslandschaft zieht' und ich wandte mich mit meinem Fernglas wieder den Gämsen zu, welche hart an der Baumgrenze ihre Abendgräsermahlzeit einnahmen, nicht ohne dauernd nach Feinden zu äugen, welche sie zur Flucht veranlassen könnten. Behände hüpften die Jungtiere ihren Eltern immer wieder davon, verstiegen sich auch ab und zu und mussten vom Muttertier geführt auf den rechten Pfad gebracht werden. Die grossen Schatten, welche über die Felswände hinaus wie jeden Abend eines Sonnentages gierig nach meiner Hütte griffen, leckten bereits nach den Felsbrocken links des Hauses. Über den Grat wehten Nebelfetzen, kein gutes Zeichen für das Wetter der nächsten Tage. Noch wurden die fallenden Wölklkchen von der trockenen Fallluft aufgesogen. Sie legte ihnen Tarnkappen an, denn in der Wand war ausser einem leichten Glänzen - auch das ein untrügliches Zeichen eines Wetteranzugs - nichts mehr vom über den Grat fallenden Nebeln zu erkennen. 'Das gibt eine Wetternacht, unruhig wird es werden', sagte ich, mit in beiden Händen aufgestütztem Kopf auf meiner Bank vor der Hütte sitzend, zu mir selbst. Die beiden Pünktchen auf dem Serpentinenweg bewegten sich wirklich wie Weinbergschnecken...'soll ich ihnen den Hüttenbub zu Hilfe schicken?' fragte ich mich! 'Ach nein, das Mädchen scheint stark, trägt den schweren Rucksack, wird das schon schaffen, oder der Alte wird die Vernunft obsiegen lassen und zum Tal zurückkehren! Wer weiss, vielleicht will der alte Herr ja einzig die Hütte noch ein letztes Mal von weitem sehen. Könnte ich gut verstehen' brummelte ich vor mich hin... Gewissensberuhigt ging ich zu Bett, denn schliesslich hatte ich vor drei Uhr in der früh aufzustehen! Schwere Träume begleiteten mich in dieser Nacht. Ich wusste frühmorgens - es war noch stockdunkel - nicht mehr was für Wildheiten sich in meinem Schlaf getummelt hatten, aber schweissgebadet suchte ich nach dem lästig lauten Weckergerassel meine Kleider zusammen und hörte gleich das Pfeifen des Sturms, welcher sich an den Hüttenwänden verfing und diese einzureissen suchte. 'Kann alle schlafen lassen, kein Weg führt heute hier heraus. Hüttentag ist angesagt. Weggeblasen wird wer sich aus der Sicherheit des Steinwalls der um die Hütte steht entfernt. Doch vor dem Feuermachen will ich einen Blick nach Draussen werfen. Wer weiss was der Sturm uns alles her blasen wird.' Erst jetzt dachte ich erneut an die beiden Pünktchen. 'Die Weinbergschnecken von gestern. Was ist wohl aus ihnen geworden? Sind wohl zurückgekehrt ins Tal, die Vernunft hat obsiegt, der alte Herr die Hütte von weitem erblickt, kann jetzt beruhigt seinem Altersteil im Tal entgegen leben!' Draussen heulte der Sturm. Ich stemmte mich gegen ihn. Die Berge waren wie in Mull verhüllt, gelblich brodelte unter mir ein weiteres Wolkenmeer. So ein Wetter sagte ich mir, an die drei Tage wird es jetzt schneien. Sommerschnee, der dann in der Sommersonne schmelzen wird und manchen milchigen Wildbachstrudel zur Geburt verhelfen kann. Ach ich liebe diese Bergstürme. Sie haben etwas Urtümliches in sich, das uns aufzeigt welche wirkliche Grösse der Mensch besitzt. Ich erinnere mich genau an diesen Gedanken, als sei er erst gerade gedacht, denn er wurde durch eine Sinneswahrnehmung unterbrochen, welche alle meine Nervenenden in Alarmstimmung zu versetzen mochten.Ein heller Ton, welcher nicht zum Sturm zu passen schien, erreichte mein Ohr. Fern. Hell. Aber so leise, als sei er von einem anderen Stern. Gleich wurde der Ton vom Sturm zugedeckt. 'Ach deine Traumgestalten spuken weiter' dachte ich und ging zur Rückseite der Hütte, um die Verriegelung der Fensterläden zu überprüfen, denn der Sturmwind hat mir schon oft einen unliebsamen Streich gespielt. Schon wieder dieser helle Ton. Kann es ein Hilferuf sein? Ohh Himmel sind die zwei kleinen Punkte nicht ins Tal zurückgekehrt? Abgestürzt? Jetzt höre ich es deutlich! Ein lang gezogenes helles iii. aus Erfahrung weiss ich, dass in den Bergen das langgezogene i des Wortes Hilfe besonders weit zu tragen in der Lage ist. Jetzt heult der Sturm wieder so heftig, dass ich nichts mehr vernehme. Wenn ich das so erzähle, erlebe ich alles noch mal mit, verzeihen sie deshalb meine Erregung...! Jetzt ist es wieder vernehmbar. Das langgezogene helle iiii! Nun ich muss mich auf den Weg machen. Stirnlampe holen. Hüttenjungen wecken. Funkgerät. Orangefarbener Rettungsrucksack, stets fertig mit allem Nötigen gepackt im Regal stehend, auf den Rücken und einzig noch die Feldflasche mit heissem Tee in eine Aussentasche zu packen. Rettungsstelle informieren. Die Routine obsiegt jetzt mein aufgeregtes an das Mädchen und den alten Mann Denken. Dann bin ich mit der grellfarbenen Jacke wieder draussen. Fäustlinge schützen meine Hände und eine Thermomütze meine Ohren, denn die Temperatur ist weit unter den Gefrierpunkt gefallen. Kein Sturmesnebenton ist jetzt zu hören. Habe ich falschen Alarm ausgelöst? Berggespenstern aufgesessen...? Da! Da ist es wieder das helle iiii! Ich kann die Richtung nicht orten. Der Ton prallt an einer Felswand ab, soviel erahne ich. Wenn es die zwei sind, das Mädchen mit dem alten Mann, sind sie vom Weg abgekommen. Sie können dann nur den 'Geissenweg' genommen haben, als sie nichts mehr sahen und der führt zum Wasserrinnsal der schwarzen Wand. Wer dort hinein steigt kommt nicht mehr weiter und der Rückweg ist auch nicht einfach, besteht das Weglein doch einzig aus tausenden von Ziegen Schabetritten und diese sind auf der Suche nach Grünzeug das vereinzelt wächst oft weit verstreut und ins Nichts dann mündend. 'Gut also Richtung schwarze Wand’, meine Stirnlampe bohrt Lichtlöcher in die Sturmnacht. Löcher ins Nichts. Löcher die nur Schwärze widerspiegeln. Auch Schatten von Felsen welche sich unwirklich, als seien es Gespenster vor mir verneigen, schlank werden und dann wieder bedrohlich gross, Schatten von Gräsern, welche Tentakelarme gleich im Sturmwind nach der Ewigkeit zu Greifen scheinen. Jeden schritt gehe ich sehr vorsichtig. Sichere mich immer wieder ab, denn in der Zwischenzeit hat eine feine Eisschicht - der Schnee bleibt nicht liegen, wird weggeweht - die Felstritte des Serpentinenweges überzogen. 'Wie wird der Geissenweg erst aussehen' denke ich, doch durch die Konzentration auf jeden Schritt, auf die Anspannung jeden Muskels, ist meine Fähigkeit Gedanken nachzuhängen eingeschränkt. Ich kenne diesen Zustand von vielen Nachtaktionen meines Berufs, irgendwie werde ich dabei jeweils eins mit dem Berg, ein Teil von ihm, ein lebendiger Teil seiner selbst, denn glauben sie nicht der Berg sei ein totes Stück Materie, nein er lebt, drückt sich aus, an diesem Tag auf alle Fälle, lebt er seinen Ärger, ja es ist Wut, welche er jetzt zum Ausdruck bringt! Blanke Wut, denn ich muss mich, obwohl nach unten schreitend, richtiggehend gegen ihn anstemmen, sonst würde er mich den Berg hochpusten und ich bin nicht als Leichtgewicht zu bezeichnen...! Nun denn ich folge dem Serpentinenweg dessen Steine ich der vielen Passagen wegen im Kopf einzeln benennen könnte. Der Weg ist hier mit Stahlseilen abgesichert, in welchen ich einen Karabinerhaken am kurzen Seil einhake um mich zu sichern, Übermut kommt vor dem Fall, dieses Sprichwort habe ich mir mehr als eingeprägt! Die Abzweigung zum Geissenweg ist jetzt erreicht, in Gegenrichtung geht es weiter, bergan, vom Sturm geschoben, muss ich meine Schritte auf den Eisüberzogenen Felsen besonders abzuwägen wissen. Jetzt ist es ein Hagelschauer der über mich zieht, die Körner prasseln auf meinen Helm. Es klopft, als ob Berggeister mich vor dem Weitergehen warnen wollten. Erneut dieses iiii und in der schwarzen Wand grollt das Echo eines Donners der unten vom Tal zu kommen scheint. Wenn die Naturgewalten toben, denke ich immer an die Urzeit unserer Erde, ein Abklatsch muss das sein was ich erlebe...! Da wieder das iii...oder ist es nur das Echo? Ich geh unbeirrt weiter, denn hier in den Felswänden soll sich keiner an die Richtung der sein Ohr erreichenden Töne halten, zu fest sind Abweichungen durch Schallabprall vorgegeben. Ich steige hoch. Schritt für Schritt. Komme an einen Felsvorsprung, oh da liegt ein Rucksack. Ein recht altertümlicher zwar. Steigeisen sind an ihn angeschnallt. Auch sie sind mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Klug ihn auszuziehen, den Rucksack. Eisen zieht den Blitz an, denke ich und sehe mich um. Neue Nebelschwaden kommen von der Fluh, ich kann kaum etwas erkennen und wäre das Gebiet für mich nicht so bekannt wie meine Westentasche, ich würde in diesem Dämmerlicht - zwischenzeitlich hat sich der Tag auch angemeldet - echt Angst zu empfinden haben. Meine Stirnlampe brennt nur noch regenbogenfarben Kompositionen in den nun bereits hellen milchigweissen Nebel! Wenn ein Rucksack in der Nähe ist, können deren Besitzer oder Träger nicht allzu weit entfernt sein. Unverständlich nur, dass das lange mit Kinderstimme vorgetragene iii so weit entfernt tönt. Kann es sein, dass sich das Mädchen so weit verstiegen hat? Und der alte Herr hat den ein Schwächenfall ereilt? Und wie haben die Beiden die eisige Nacht, den Sturm und das Gewitter überlebt? Der Blitz schlägt hier in den Bergen ohne zu fragen zu und trifft jede erhöhte Stelle. Ich setze weiter Fuss vor Fuss, bin hier vorsichtiger als auf dem Serpentinenpfad, kenne den Geissenweg nicht von tausend Gängen. Die Eisschicht auf den Felsen ist tückisch, einmal halten meine Schuhe, ein anderes Mal ist dies nicht der Fall und ich rutsche rückwärts runter, kann mich aber durch die Pickelsicherung halten, einen anderen Tritt muss ich dann nehmen, welcher besseren Griff gewährt! Weiter vorne sprudelt Wasser. Ich stelle fest, dass ein Stück Felsen, ein grosser Brocken fehlt, wohl dem Sturm nicht standgehalten hat, in die Tiefe stürzte. 'Gebe Gott er habe niemanden mitgerissen' murmle ich vor mich hin, versuche mir durch die eigene Stimme Mut zu geben. Ja ich gebe es zu ich bin verzagt... hinter der nun fehlenden Bergnase geht es steil bergan, wenn ich diese Wand nur schaffe...bei den Verhältnissen mit Schnee und Eis. Es wäre wohl vernünftiger aufzugeben, zurück zur geschützten Hütte zu gelangen. Doch so etwas widerstrebt meinem Beruf, meiner Berufung als Hüttenwart zutiefst. Nein, das Mädchen will mir nicht aus dem Sinn. Ein junges Leben. Alles noch vor sich. Ich denke an ihre ungeborenen Kinder. An das was gerade diese Frau einst auf unserer Erde in den folgenden Jahrzehnten möglicherweise verändern kann! 'Nein, nie aufgeben, sonst könnte ich mich selbst im Spiegel nicht mehr betrachten.' Langsam taste ich mich weiter zur ehemaligen Felsnase vor, brauche jetzt auch meine behandschuhten Hände und die Finger zur Sicherung… Da hinter dem Vorsprung, ich traue meinen Augen nicht, klafft ein Loch in der Wand, es muss ein grösseres Gestein abgebrochen sein in dieser Nacht als ich bisher vermutete! Ich beuge mich vornüber leuchte mit der Stirnlampe ins Loch hinein und sehe erschrockene Augenpaare die auf mich starren und sehe wie sich die Lippen des Mädchens zum Hilferuf schürzen. Hiiilfe tönt es aus dem Loch, welches - ein Stein fällt mir bei dieser Beobachtung vom Herzen - den zwei in dieser Sturmnacht einen gewissen Schutz geboten hat, einen Schutz zum Überleben, wie ich dankbar gegen den Himmel mich wendend zugestehe. Ich steige zu den zwei in das Felsloch hinab. Das Mädchen scheint schwach. Ist so scheint es mir in einem Erschöpfungs-, ja schockähnlichem Zustand, denn als sie mich sieht, beginnt sie ungläubig zu stottern, hält mich für einen Erzengel, welcher die Tore des Himmels bewacht und all meine Beteuerungen ich sei der Hüttenwart der Hütte in welche sie gestern zu gelangen suchten, schlägt sie in den Sturmwind. Ich versuche ihr einen heissen Tee einzuflössen und erst dieser weckt ihre Lebensgeister, bringt ihre Gedanken hier ins Felsloch zurück. Gleich kümmere ich mich um den alten Herrn. Das Mädchen hat seinen Kopf in ihren Schoss gebettet, ich sehe, dass sie ihn noch mit ihrer Jacke eingemummelt hat und ein seliges Lächeln auf des Greises Gesicht, zeigt mir, dass er nicht leidet, das Bergabenteuer trotz aller Widrigkeiten scheinbar auf seine Art zu geniessen in der Lage ist. Auch ihm flösse ich heissen Tee ein, er hebt dabei mit einiger Mühe seinen Kopf, sieht mich dankbar dabei an. "Wissen sie", sagt er flüsternd zu mir, "sie hat es mir versprochen meine Enkelin. Sie hat das Versprechen eingehalten das sie mir als kleines Mädchen einmal gab, mich in 'meine' Hütte zu führen, in der ich einst Hüttenwart für lange Jahre war." Erst jetzt erkenne ich Hans meinen Vorgänger als Hüttenwart. Bis zu seinem siebzigsten führte er 'meine' Hütte und das war vor fünfzehn Jahren. Von ihm hatte ich den Ausspruch übernommen 'wir sind stets für unsere Gäste da' und heute endlich war er mit seiner Enkelin mein Gast. "Ein Versprechen einzuhalten" sagte er mit Lächelfalten um die blassen Lippen, "ist entscheidend und dem darf kein noch so kleiner Stein oder gar ein Sturm in den Weg gelegt werden und so bin ich obwohl alt und schwach zu 'deiner' ", er betonte das Wort 'deiner' beinahe als sei dies Wort ein Leckerbissen, "Hütte mit meiner Enkelin aufgebrochen. Nun hat uns das Wetter eingeholt, aber du weisst wie Berge wirken, sie lassen einem selbst im hohen Alter nicht in Gleichgültigkeit versinken" und er drückt mir ganz fest die Hand. Der Ausdruck und die Kraft seiner knochigen Finger werde ich auch in meinem hohen Alter, welches ich wie Hans zu erreichen hoffe, nicht vergessen. Ich brachte meinem Vorgänger und seiner Enkelin Biwakmaterial und eine heisse Linsensuppe, sowie Thermokleidung, denn sie waren zu ausgelaugt um bei den schlechten Verhältnissen ab- oder aufzusteigen. Als es gegen Abend dann wider jede Bergerfahrung aufzuklaren begann, holte ein Helikopter der Rettungsdienste die zwei, er flog mit beiden eine Ehrenrunde über 'seine' beziehungsweise 'meine' Hütte und erfüllte damit des Mädchens abgegebenes Versprechen! 1