Kurzgeschichte der Woche

SÜSSHOLZRASPELN

‚Suche meine Süssholzraspel! Dringend! Vermisst seit 13.d.Mts. Griffiger Finderlohn garantiert. Suessholz@comcom.com‘
Diese Anzeige lese ich am Laternenpfahl beim Warten auf meinen Bus. Es ist bitter kalt. Schneegestöber. Bin eingemummelt. Wollschal aus reiner Schurwolle. Oder Lamawolle? Geschenk meiner Ex vor sieben Jahren zu Weihnachten. Qualitätsbewusst war sie, sinniere ich. Hmmm Süssholzraspel … was ist das?

Verflixt, mein Bus hat winterliche Verspätung. Mit Leidensgenossinnen und Leidensgenossen, als Genossenschaft kann ich ja diese nicht bezeichnen, obwohl wir genossenschaftlich gemeinsam alle in die behandschuhten Hände schlagen, als ob wir der Verspätung für ein konzertantes Bis, dass niemand sich wünscht, applaudieren würden. Also einen griffigen Finderlohn könnte ich in diesem Januarloch in meiner Geldbörse bedingungslos gebrauchen …! Einen der vorperforierten Zettel abreissen? Einstecken. Doch dazu die Handschuhe ausziehen? Nein danke! Und trotzdem diese Gelbörsenschlucht ist mit allen Mitteln, selbst mit eisigen Händeaussichten zu bekämpfen. Mein Atem bläst derweil wunderschöne Dampfkringel aus. Meine Kinder hätten wahrlich Freude daran. Stampfe mit den Füssen im Takt einer imaginären Kopfmusik! Ein Walzer? Sollte unbedingt Kurse in Komposition an der Musikschule belegen. Doch Kopfmusik zu Papier bringen? Ich kann keine Noten lesen. Vielleicht deshalb dieser Januarfluch. Keine Tantiemen die am Jahresanfang fliessen. Doch aufs Süssholz setzen? Ein Versuch ist es wert! Auch ohne Zettel-Abriss möglich. Einfach die Mail Adresse merken. Ist ja kinderleicht. Werde im Bus, der ist ja bestimmt warm, mein Smart-Phone zücken und schreiben ich hätte die Raspel gesichtet! Kleine Notlüge. Aber was unternimmt man nicht in Verzweiflung? Was der elegante Inhalt des Mails? Beginne im Dreivierteltakt der meine Füsse auf Eisbahn Temperatur hält (darunter würden diese erfrieren) mein Mail zu komponieren: ‚Liebe Unbekannte, Unbekannter‘, nein, weiss ja nicht ob es ein männlicher oder weiblicher Adressat ist, und das Süssholz ist sachlich. also ‚Liebes Unbekannte?‘

Da braust der Bus eine schleudernde Punktlandung hinlegend an die Haltestelle. Immer diese Unterbrechungen, gerade wenn eine Lösung in Sicht ist. Gedränge! Fahrräder wohl alle im Keller! Ergattere ein Plätzchen bei der hinteren Türe. „Von der Eingangstüre zurücktreten“, der Hilferuf des Fahrers. Ellbogen einsetzen! Wirkt! Türe schliesst zischend. Eine Hitze ist das hier. Alle menschlichen Ausdünstungen vermischen sich zu einer Duftkakophonie. Versuche mich umzuschauen. Möglicherweis liegt die Süssholzraspel ja hier am Boden. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass diese im Getrampel überleben könnte. Da, eine Durchsage „EINE DURCHSAGE DER LEITSTELLE: GERASPELTES SÜSSHOLZ VERSPERRT UNSEREN ZIELBAHNHOF. WIR BITTEN ALLE PASSAGIER SOFORT DAS FAHRZEUG ZU VERLASSEN UND BITTEN GEGEN GRIFFIGE BELOHNUNG UM HINWESE AUF DIE TÄTER.“
Also nicht hoffnungslos dieses Januarloch. Es winkt gar eine doppelte Belohnung! Zuerst den Absender ausfindig machen. Die Telefon Nummer per Mail erfragen. Ihm mitteilen dass seine Raspel beim Bahnhof liegen muss. Anschliessend den Behörden die Antwort telefonisch, süssholzraspelnd mitteilen. Das wirkt bestimmt. Was für eine wundervolle Rettung aus dem schwarzen Januarloch ..., Süssholz sei dank …!




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"SÜSSHOLZRASPELN" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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