Kurzgeschichte der Woche

Lehre

Was war das für eine harte Zeit. Die Lehrzeit. Stets unter des Meisters Fuchtel. Kaum etwas konnte ich ihm recht machen. Alles, oder doch das Meiste war falsch. Er mäkelte den ganzen Tag. War sozusagen sein Blitzableiter. Und was schlug der Blitz oft ein. War permanent unter Strom. Starkstrom. So ein Blitz hat ja eine unwahrscheinliche Voltzahl. Tödlich. Wenn nicht geerdet. Glücklicherweise hatte mein Beruf mit Erde zu tun. In einer Gärtnerlehre war ich von meinen Eltern gesteckt worden. Immer wieder darauf hingewiesen durchzuhalten, wenn ich abends erschöpft und mutlos zum Abendbrot kam. Hungrig. Durstig. Das Mittagessen bei meinem Meister bestand aus selbst angebautem Gemüse. Möhren. Gelb und rot. Kohl. Weiß und blau. All das sättigte meinen in unbändigem Hunger dahinvegetierenden Magen kaum. Der Boss war Veganer. Nur Selbstangebautes kam auf den Tisch. Gut, dass Mutter mir morgens stets eine mit Butter dick bestrichene, mit viel Fleisch bedeckte, in Fettpapier eingewickelte Doppelbrotschnitte mitgab. Was schmeckte das! Ein fantastischer Genuss den ich gerne ins unendliche ausgedehnt hätte. Aber Brot ist endlich. Leider. Und der Meister durfte den Vertilg-Akt nicht sehen. Nicht bemerken. Das hätte ihn in einen entsetzlichen Weissglutzustand katapultiert.

Ein solches Sakrileg auf veganischem Boden zu begehen, nein, die Folgen einer Entdeckung wollte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen! Also zog ich mich dorthin zurück wo des Meisters Augen mich nicht verfolgen konnten. Obwohl, unter einem blühenden Apfelbaum hätte die Schnitte doppelt so gut geschmeckt als auf dem geheimen Örtchen in das ich mich zum Verzehr zurückzog. Eine andere Lösung fiel mir damals einfach nicht ein. Selbst als er meinen Eltern mitteilte ich würde dort täglich zu lange weilen, ob das mit meiner Pubertät zu tun habe, sie sollten auf meine Lektüre achten, kontrollieren ob ich im Geheimen Schmuddel Lektüre irgendwo im Haus verstecken würde. Die ganze Angelegenheit nahm dann, als der Gärtner einen Berner Sennenhund anschaffte einen überraschenden Verlauf. Eine von mir nicht erwartete Wende. Der junge Hund hatte ein perfektes Riechorgan. Jedenfalls harrte er, während ich in Fleischeslust schwelgte, immer vor meinem Rückzugsort. Schleckte mir, wenn ich herauskam, die fettigen Hände ab, wedelte so stark mit seinem Schwanz, dass ich befürchtete bei meinem geheimen Tun vom Boss entdeckt zu werden.

Also gab ich Barry, wie der hübsche Köter gerufen wurde, seinen Teil von der Schnitte ab. Ein klitzekleines Stückchen, eine Ecke der Schnitte. Was für eine Wohltat musste es für das veganisches Futter gewohnte Tier sein! Eines Tages, es regnete draußen in Strömen, hatte der Meister eines schlechten veganen Pilzes wegen, so nahm ich wenigstens an, einen Durchfall eingefangen, klopfte an mein Refugium, gab mir seine Not bekannt. Ich musste öffnen. Und da sah er das Corpus Delicti! Meine Brotschnitte, von der ein Stück Schinken hervor lugte, zu Boden zeigte. Der Gärtner sah mich an, strich mit seiner schwieligen Hand über meinen Kopf und sprach: “Lass es Dir schmecken Junge! Heranwachsende benötigen Fleisch um die Fleischeslust zu bekämpfen!”, und verschwand nach diesen Worten in meinen Rückzugsort, der fortan für mich nichts mehr Geheimes an sich hatte.




Dreisatzroman der Woche

W E L L E

Eine kleine weiße schäumend Welle, bewegt sich auf dem glatten, stillen See nicht von der Stelle.

"Ich bleibe hier und bin der Sturm in des glatten Sees Leben, singe ihm das Lied des ewigen Erbebens"

Wasservögel, Menschenboote, pilgern hin zur toten Welle, die sich nie bewegt von ihrer liebsten angsterfüllten Stelle.


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Einige Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 27.März 2017 schrieb K.B.:

"Ihre Wochengeschichten sind einfach so wunderbar, erbauend und spannend. Merci viel Mal!"

Im März 2017 schrieb ein anonymerLeser:

"Was für eine überraschende Pointe der veganen Geschichte! So viel Wärme nach einer düsteren Spannung, die übrigens stilistische gekonnt aufgebaut wird! "


"Lehre" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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