Kurzgeschichte der Woche

Der Schal

Er liegt da. Der Schal. An ihm hängt ein rotes Wollknäuel. Vier Stricknadeln halten seine kleine Welt zusammen. Einsam liegt er hier auf der kleinen Tischablage des 2. Klasse Abteils in das ich soeben eingestiegen bin. Dem Fundbüro an meinem Zielort überbringen? Noch besser dem Schaffner übergeben. Doch von Kontrolleuren keine Spur. Hat sich bisher keiner in diesen Regionalzug verirrt. Die Dame wird ihren halbfertigen Schal bestimmt vermissen. Hat sie das bereits an die Fundsachenzentrale gemeldet? Beschreibung ist einfach. Unverwechselbar. Also kein Problem. Ich schiebe den Schal beiseite. Wende mich meiner Tageszeitung zu. Dann habe ich noch wichtige Briefe zu verfassen. Von Hand. Mein Markenzeichen! Mit diesen modern maroden Kommunikationsmitteln will ich nichts zu schaffen haben. Nein danke! Sollen iPhones ihrem i huldigen. Ich unterwerfe mich denen nicht. Auch nicht einem e das vor diesem grässlichen Ausdruck Mail steht. Ja, Royal Mail würde ich akzeptieren.

Aber e mail? Igitt! Für was steht das e überhaupt? Ekel? Bestimmt nicht für elegant! So grundhässlich wie die Texte dort ausfallen können. Oder der Ausdruck Spam! Da liebe ich doch viel eher Rahm. Nur einen Buchstaben entfernt und doch so merklich sympathischer. Aber mein Arzt hat mir empfohlen mich nicht aufzuregen! Zu ergelstern wie eine Elster. Nein das lasse ich sein. Sonst kommt mein Blutdruck außer Kontrolle. Wende mich lieber realen Dingen im Tagblatt zu. Nicht cyberischen. Oder heißt es cybertinischen? Ich will real Geschehenes erleben! Unglücke und Verbrechen. Ja, da kann ich lernen mich zu schützen. Vor Pishing mails und Spinner-Spams.

Donnerwetter, wie die Zeit vergeht! Alles vergänglich. Unheimlich. Ich wollte doch schreiben. Muss aber bereits wieder mich in meinen Mantel zwängen. Muss einen neuen kaufen. Zu eng ist nicht nur der Mantel, nein, auch die Welt. Der Lautsprecher verkündet leise meinen Aussteigort. Ich stehe auf. Schreite eingeengt zur Ausgangstür. Drücke den Türöffnungsknopf. Auch so etwas was immer versagen kann. Früher da war es anders. Manuell! Gut! Öffne die Tür. NEIN, DAS IST NICHT MÖGLICH … AUF DEM BAHNSTEIG STEHEN, NEIN SIE LIEGEN NICHT, TAUSENDE VON WOLLKNÄUELN. Stricken sich in einer akuten Reisefieberaufregung selbst zu Schals! Alle rot! Stürmen den Bahnwagen. Hilfe ich erstricke!! Immer enger wird mir! Bin ich ein schaler Mensch …?




Dreisatzroman der Woche

K L A M M

Klamm war dem Gartenstuhl an jenem frühen Morgen, als die rote Schnecke auf ihm saßund heftig laut auch bellte.

Wen bellte die rote Schnecke an und weshalb; der Stuhl aus Holz konnte nichts erkennen, seine Augen waren nicht überall.

Als der Gartenstuhl des Bellens müde ward, klappte er zusammen, erkannte dann, dass er es war der bellte und mitnichten die rote Schnecke, welche friedlich in das irden Gartenbeet entschwand...


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Einige Kommentare zu dieser Kurzgeschichte:

Am 24. Februar 2017 schrieb ein anonymer Leser:

"So verrückt ist das jetzige Zeitalter und es wird immer noch verrückter, bis wir alle so verrückt sind dies nicht mehr wahrzunehmen"

Am gleichen Tag schrieb M.L.:

"Supergut geschrieben, du hast das timbre, gratuliere, weitermachen"


"Der Schal" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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