Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören oder hier kostenlos und werbefrei erhalten >>
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Die Vigoletten
DIE VIGOLETTEN, DIE VIGOLETTEN, SIE KOMMEN! In der ganzen Stadt, meinem Heimatort, wimmelt es von Hinweisen in Plakatform, Strassenklebern, Abzieh- und Aufziehbildern, alle in violetter Farbe. Unverschämt ist das, denke ich. Eine Übernutzung des öffentlichen Raums, obwohl keinerlei Wahltermin ansteht. Oder habe ich etwas übersehen, obwohl ich mit der von mir präferierten Suchmaschine sonst alles erkenne? Oder doch beinahe alles? Das gesamte städtische Geschehen über- und unterblicke, ob ober- oder unterirdisch. Doch heutzutage gibt es täglich Überraschungen, selbst der dritten und vierten Art. Möglicherweise handelt es sich um eine Kulturveranstaltung? Tänze auf dem Rathausbalkon, oder gar auf der Münsterspitze? Auch das würde mich nicht in Er- oder Sie-Staunen versetzen. Mein Wissensdurst wurde jedoch mit einem Riesengiftstachel entfacht. Lodert hell und feuerrot, nicht vigolett auf. Mehr noch in schmerzender Synapsen-Gift-Reaktion, bar jedes durchsichtigen, reagenzglasigen Inhalts. Wie nur vorgehen, um der Sache auf den Grund zu gehen und nicht in violetter Farbe auf Grund zu laufen?
Halt! Meine Vernunft-Zentrale, die im linken beinahe farbtauben Mittelohr sitzt, hat das ‚G‘ in der Mitte des Wortes, also möglicherweise das pulsierende Herzstück des Wortes, einfach unterschlagen. Meine Erfahrung hat mich in letzter Zeit leerend gelehrt, nicht stets auf die Vernunft zu hören, also die Unterschlagung im Purzelbaum-Überschlagmodus einfach ad acta zu legen, obwohl Akten nicht mehr zeitgemäss sind, eher ad Bytes, dafür ganz ohne Bitcoins, die in moderner Sprache Bitecoins zu nennen sind, da diese die Besitzerschaft am Lebens-Schaft beissen, diese aus ihrem wohligen Wohlstand herausreissen,. Alles Folgen der Unzeit, in der ich zu leben habe?
Nun, ich hasse, ja verurteile die Ablenkungsmanöver meiner linken, auf Kreativität getrimmten Hirnhälfte. Ich stelle mir daher die Frage unter Ausschluss jeglicher geschlossenen Öffentlichkeit, ob das Un der Zeit wahr-haftig, gerecht-fertig-t sei. Meine Gewissensbisse, die ganz ohne linkslastige Synapsen in meinem Bewusstsein auftauchen, führen mich dazu, den Gedanken-Rückwärtsgang einzulegen, um erneut zum Rätsel der Vigoletten, die da kommen sollen, zu gelangen. Erstaunlich nur, nein verwunderlich einzig, dass kein Medium bisher das Thema aufgegriffen, Bericht darüber erstattete. Hat die Hoffnung, durch die Aufdeckung des Rätsels Bitecoinmilliardär zu werden, den künstlichen Nebelschleier auf die Neuigkeit gelegt?
Mein Gerechtigkeitssinn weist den Weg, alles daran zu setzen, dem Geheimnis der VIGOLETTEN (stecken Ausserirdische dahinter, deren Be(sser)wissen, ein Gewissen können diese nicht haben, dafür sind wir Humanoide zu einzigartig) auf die Spur zu kommen.
Als erstes schreite ich selbstbewusst, das muss bei einem solchen Gang trotz der Vigolettenverunsicherung unbedingt sein, zum Hochhaus, in dem die Lokalmedien ihren Pflichten nachgehen, heute denke ich eher nachhinken, um die Frage der Vigoletten-Unterschlagung bis zur obersten Etage, dem hochgelegenen Stockwerk der hochrangigen Chefs, hinaufzuwerfen. Melde mich beim Empfang, der durch eine Roboterin mit hübschen blonden Haarsträhnen besetzt ist, die mich freundlich grüsst, sich mit verführerischer Stimme nach meinem Begehr erkundigt, nicht ohne mich zu fragen, ob mir eine rein knabige Auskunftsperson — sie hätte die Fähigkeit, in Nullkommanichts plötzlich eine andere Gestalt anzunehmen — lieber wäre. Ich verneine. Trage mein Anliegen vor, weshalb die Medien die Vigoletten-Invasion verschweigen würden. Da kullern bei meinen Worten die künstlichen Augen der künstlichen Empfangsdame als begehrte glasige Murmeln zu Boden, laden mich dabei zum Murmelspiele ein, das ich glatt ob des rauen Betonbodens verweigere. Die Roboterin gerät darob in Wut. Aus ihren leeren Augenhöhlen treten Blitze, gefolgt von gleich losbrechendem Donner, der meine Ohren so belastet, als sei ein japanischer Superschnellzug mit 500 Sachen über mein Trommelfell gerast. Das hat auch meine Blase stark in Anspruch genommen, sodass ich in Blitzeseile nach den Waschräumen Ausschau halte, diese in der hintersten Ecke der Empfangshalle entdecke, dort eindringe und mich erleichtern kann. Wie gelernt spurte ich dann zum Waschbecken, um meinen Händen den Sauberkeit-Status überzustülpen. Betrachte lange mein verdonnertes, lädiertes linkes Ohr im übergrossen Spiegel. Möchte über die Mundhöhle — da besteht bestimmt eine Verbindung, erkundet einst durch den Druckausgleich — ins Innenohr Einblick nehmen. Strecke dafür meine lange Zunge aus, die sich, oh Schreck, im Spiegel gleich verdoppelt, mich zweifach in jetzt violetter Farbe anstrahlt und durch die Verzweifachung den Raum der Mundhöhle voll in Anspruch nimmt. So werde ich, bemerke ich in tiefer Resignation zu mir selbst, in Zukunft dem Modetrend zu folgen haben, mit doppelter Zunge sprechen zu müssen, und das in violetter, oh nein, in vigoletter Farbe.
Die Blauzungenkrankheit, mein Blitzgedanke, gibt es ja beim Rindvieh (Wiederkäuer wie Schafe und Rinder werden davon befallen). Sie wird durch Gnitzen übertragen. Für den Menschen ist die Krankheit ungefährlich, was mich beruhigt. Auch die Vigoletten-Zungenkrankheit, echot mein Vernunftzentrum, beruhigt sich aber keineswegs, da ich mich jetzt in diesem Hochhaus mit meiner Meldung über die Invasion nicht als Mensch, sondern als echtes Rindvieh fühle ...
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
C O I N S
Bites
Beissen
Trompetengoldig
Coins die Allerletzten.
Wetzen ihre gewetzten
Klangvoll Messer
Bewegen ihre
Lefzen.
Heute
Und nicht
Vorvormorgen
Da sind sie bereits
Voll und ganz verborgen
Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe (https://www.francois-loeb.com//kurzgeschichten-kostenlos-lesen/geschichten-erhalten/) auf Ihrer Homepage Ihrem Blog, oder der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber!!