Kurzgeschichte der Woche

Warte-Zimmer

“Der Ausdruck Zimmer wird so oft benutzt. Und ist, so denke ich, negativ besetzt. Meist negativ besetzt. Es gibt einzelne Ausnahmen die die Regel bestätigen. Denken Sie nur an Wohn-Zimmer. Behaglich. Warm. Angenehm. Mit feinsten Gerüchen aus dem Ess-Zimmer kommend verbunden.” So eröffnete mein Hochschullehrer der das Fach komparative Wortkunde lehrte seine erste Vorlesung vor neuen Studentinnen und Studenten. Wortgewaltig war er. Gestengewaltig. Beeindruckte seine Hörerschaft immer aufs Neue. “Und wenn wir in dieser komparativen Linie fortfahren”, fuhr er sogleich fort, wobei ich mir echt die Frage stellte weshalb es eine Professur mit dieser Ausrichtung gebe, ob das nicht Verschleuderung von Steuermitteln durch den Staat sei, “das Wort Zimmer deplüchieren, also entkernen, schälen, sezieren mit unserem scharfen Versand, wir bald zum Frauen-Zimmer gelangen. Was hat dieses Wort mit einem Zimmer zu tun? Nun ja junge Frauen und Männer hier im Saal, was? Nichts. Überhaupt nichts. Denn eine Frau in einem Zimmer ist nicht im philosophischen Sinne zwangsläufig ein Frauen-Zimmer.

Selbst wenn wir den berühmten Bindestrich der alles bindet was nicht zusammengehören kann und darf, weglassen, hat ein Frauenzimmer noch weniger gemeinsam mit einem Zimmer in dem sich eine einzelne Frau aufhält. Sie sehen bei meinen Vorlesungen werden sie Zusammenhänge lernen. Analytisch untersuchen können. Ihren Verstand daran schärfen wie ein Messer an einem Wettstein, bis hin, dass der Ihre denjenigen ihrer Kommilitonen, die nicht diese Vorlesung besuchen dürfen, können, oder wollen, aufschlitzen werden wie einst Jack the Ripper dies mit seinen Opfern tat.” Der Professor nahm sein kariertes übergroßes Taschentuch aus der linken Hosentasche (auch so ein unmögliches Wort wie ich später feststellen konnte, denn wie soll eine ganze Tasche in einer Hose Platz finden können) und tupfte damit seine schweißnasse Stirn ab. Zugegeben es war ein heißer Tag. Doch unser Lehrer hatte sich in Hitze geredet als er sein komparatives Credo von sich gab, dem er total verfallen schien.

„Schreiten wir nun zum nächsten Wortungeheuer, oder ist ihnen Wortmonster lieber. Das Warte-Zimmer. Ein Zimmer in dem gewartet wird. Auf was ist hier die Frage. Auf wen? Ist es das Warte-Zimmer des Lebens? Indem wir auf das Leben, das echte warten? Auch wenn wir auf etwas ganz anderes warten. Auf die nächste Bahn. Auf den Arzt dass er sich unser annimmt. Warten mit Mitmenschen die auf dasselbe oder doch ähnliches warten. Nun, liebe Zuhörerschaft, sie sitzen in einem Warte-Zimmer. Dem Warte-Zimmer in welchem sie warten. Auf was, das wissen nur sie. Jede, jeder Einzelne. Bestimmt aber warten sie auf ein Ende. Ein offenes Ende. Oder ein geschlossenes. Wie diese Vorlesung. Ich habe geschlossen!” Mit diesen Worten löste sich der Professor in die nun heiße, flirrende Luft auf. Er hatte lange genug gewartet. Im Warte-Zimmer der komparativen Wortforschung ….




Dreisatzroman der Woche

T E L E M A T

Ein Telemat, frisch geboren und noch zart, steuert weiß nicht was, doch dies in großem Mass.

Da niemand weiß - auch seine Konstrukteure nicht - was der Telemat auch macht, erwarten alle, dass es demnächst heftig kracht.

Doch nichts von dem geschieht, viel eher der Telemat sich überflüssig sieht, in Depression verfällt und seit dann, doch niemand weiß bis wann, wie ein Hund zum Monde bellt und sich darin gefällt.




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Ein Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 01. Dezember 2017 schrieb W.D.:

"Herrlich ,herrlich. Vielen Dank François"




"Warte-Zimmer" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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