„Fiasko“, bemerkt der Bahnnachbar zu seiner Begleiterin. Eigentlich will ich nicht zuhören. Aber in meiner Nachrichtenredaktion herrscht augenblicklich Mangel an Stoff den ich dem Chef auf dem Serviertablett präsentieren soll, ansonsten die drohende Kostenschere mich Schnipp schnapp erreichen kann und ich im Dunkel der Arbeitslosigkeit versinken werde. Möglicherweise ist es höhere Fügung, dass ich in diesem hintersten Wagen des Regional Express Platz genommen habe. Nicht etwa der wie vom Baum fallenden News wegen, ganz im Gegenteil, in diesen Wagen ist meist kein Gedränge. Und angenehme Ruhe in der ich mein Mittagsschläfchen abhalten kann. Doch jetzt dieses Paar mir gegenüber sitzend. Er, eher ein roher Typ. Muskelanspannung beeindruckend. Bauchansatz auf Bierkonsum hinweisend. Sie, zwischen 25 und 30 Jahren. Markantes Gesicht das mich gleich anspricht.
Ja, so eine Freundin sollte ich haben. Senke den Kopf um ihr nicht in die stahlblauen Augen zu sehen. Sie muss ihn beherrschen. Hart. Aber auch fair? Kaum, denke ich. Und jetzt will sie bestimmt Näheres über das Fiasko wissen. Ich schließe die Augen um besser hören zu können. Stelle mich schlafend. Atme laut und regelmäßig. Einen Viertelschnarchlaut zwischendurch um zu beruhigen. Fiasko, Fiasko, denke ich. Meine Rettung! Ein hoffentlich blutiges Fiasko. Das liebt meine Leserschaft. Blutig. Aus dem Leben gegriffen. Jede Faser meines Trommelfells ist angespannt. Aufs höchste angespannt. Hoffe innigst, dass die Erzählung bald beginnt. Auf dass das Fiasko aus dem Herrenmundesschlund entweicht. Stoßgebet. Natürlich nur in Gedanken. Denn in drei Stationen muss ich aussteigen. Zur Redaktion rennen. Damit ich keinen Anpfiff wegen Verspätung um meine Ohren gewatscht bekomme. Und das bei so angespanntem Trommelfell.
Wäre verheerend. Und meine Stelle, Schwupps, fort. Los, beginn schon zu erzählen schreie ich stumm. Öffne meine Augen, für Außenstehende bestimmt unsichtbar, nur einen Spalt. Oh nein, die beiden liegen sich in den Armen. Machen an einander rum. Ich kann es nicht verhindern. Nur noch 2 Stationen.
„Los. Los, was war das mit dem Fiasko?“ entspringt es meinen ungehorsamen Stimmbändern, die sich von der Nachrichtenerbringungspflicht verleiten lassen.
„Was willst du“ erwidert die junge Frau? „Betreibst du Marktforschung? Ja mein Parfüm heißt FIASKO, wolltest du das wissen?“
Oh Himmel denke ich, jetzt kommt das Fiasko auf mich zu. Aber unparfümiert und steige mit hängendem Kopf aus dem Regional Express.
Dreisatzroman der Woche
T V
Ferngesehen flimmernd weit, kommt die ferne Welt zu mir mach Haus, welch ein Graus...!
Mord und Tod und Kindsentführung, Wassermassen, Erdeskrachen, aus den Fugen gerät die Welt, samt dem weiten Himmelszelt, Kometenbahnen lassen Weltenend erahnen und die Politik versinkt dabei in tiefstem Schlick!
Da seh ich lieber nah als fern, mit meinem eigenen Herzen, all die kleinen Tagesschmerzen und die Freuden aller Menschen, welche mich umgeben und damit mein nicht fernes, aber nahes Leben mit erweben!
Ich wusste nicht, dass Träume streiten können. Das war Neuland für mich. Bis heute Morgen, nach dieser furchtbaren Nacht. Dabei - und das erstaunt mich am meisten - ging es einzig um singuläre Buchstaben...