„Velogapos“ heute höre ich zum ersten Mal, dieses Wort, das mit so inniger,
sehnsüchtiger Sprache, getragen von Lebensliebenssucht, von meinem
Gegenüber ausgesprochen wird, dass mein Neugierstachel sich unverzüglich in
ihre Ohrmuschel senkt und ich ihr voll und ganz, trotz zahllosen
Augenablenkungszapmöglichkeiten in der Hotelbar, meine volle
Aufmerksamkeit zukommen lasse. „Velogapos“, strahlt die Frau, nein, Frau ist
der falsche Ausdruck, Dame ist zutreffender, strahlt die Dame mit in
Traumwelten versunkenen blauen Irissternen, mich an. „Sie wissen nicht wie
erfüllend die Reise dorthin und erst der Aufenthalt, nein, nein nicht auf einen
Halt, ganz im Gegenteil, auf immer und ewig, sein kann.“ Das Wort ewig
spricht sie mit einem auf 23 Millimetermeter verlängerten Mundwinkel, diesen
dabei in die Breite streckend, aus.
Sie trägt damit ihre bei dem Gedanken an
Velogapos verzückte Seele zungenschlagend zur Schau, führt sie ans spärliche,
mit farbigem Kunstlicht gemischte Tageslicht, steckt mich mit ihrer
Glückseligkeit an. Ich fühle ein Schweben und Zirpen in mir, das mich
verzaubert. Ist das die grosse Liebe, auf die ich bereits so lange tagträumend
warte? Bin ich im Wartesaal dieser Destination -- nicht umsonst leitet sich dieser
Ausdruck von ‚destin‘, dem Französischen Ausdruck für Schicksal ab -- nun
endlich angelangt? Ist Velogapos mein irdisches Paradies? Liegt es hier vor mir
offen und griffbereit? Muss ich nur danach haschen. Es in den Griff bekommen.
Einzig meinen Stachel tiefer senken. Mich festhaken. So einfach kann das Sein
sein, denke ich. Besteht Velogapos aus Inseln? Schildkröten die sich gegenseitig
unbändig laut lieben? Lavabahnen die sich nach Liebesausbrüchen flussartig,
schwarze Spinnenspuren hinterlassend, durch zwei Leben ziehen?
Wenn ich nur mein Glück, das so nahe vor mir liegt fassen kann! In ihm
versinken.
Da steht die Dame auf. Verabschiedet sich höflich mit abgesenktem Blick.
Bemerkt mit ihrer leisen so verführerischen Stimme: „Ich eile jetzt nach
Velogapos. Tschüss und au plaisir“ und ich sitze da, wie ein begossener Pudel.
Weiss mit absoluter Bestimmtheit, dass ich in der Zukunft, ja, mein ganzes
Leben damit verbringen werde Velogapos zu suchen, um es nie zu finden.
Gut, dass, wenn selbst die Katze sieben Leben besitzt, der Mensch bestimmt
mehr als ein Leben vor sich haben muss, selbst wenn er seinen Neugierstachel
bereits in aller Ohrenmuscheltiefe verloren hat.
"Velogapos" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:
TERMINE
LESUNGEN
Termine in Planung
Aktuelles
Wochengeschichten Archiv
François Loeb's bisherige Wochengeschichten kostenlos lesen und anhören oder wiederhören und -lesen! Aus über 100 Wochengeschichten auswählen!
Nach langem Fussmarsch erkenne ich auf dem Strässchen ein grosses, mit roter Farbe aufgesprühtes P. Es wird sich um Arbeiten im Boden handeln, denke ich....