Grossvater fand, dass unsere Sprache zu einsilbig sei. Dass er damit nicht ausdrücken könne, was er fühle. Er befand, dass seine Seele aus diesem Grunde zwar nicht taubstumm, doch zumindest halbstumm sei. Deshalb reiste Grossvater in jungen Jahren viel. Heuerte auf Schiffen an. Blieb dort ein Jahr und hier ein halbes. Studierte Sprachen. Fand da eine Seelennote und in Sansibar gar einen entsprechenden Sprachseelen-Notenschlüssel. Stellte aber fest – als er ihn gebrauchen wollte –, dass er abgebrochen war und nur so aussah, als sei er ein Notenschlüssel. Es war ein Schlüssel nur zur Not. Zu seiner Seelennot.
Und so zog Grossvater nicht mehr über Weltenmeere, sondern zog sich zurück. Er beschloss, seine eigene Sprache zu gestalten. Setzte in Tat die Sprachenkreationen dann um:
Wischelwascher, Vasamerlen, Patzzutopert, Kariplotzer, Pasarantern, Statoklepern, Casawoler... erschuf er sich. Qualapitten, Pisicateln, Wasocoupen, Viliklirer, Calsatiepen, Waramullen, Tatiparen bevölkerten sein Hirn.
Als nach Jahren seine neue Sprache geschliffen war wie ein Diamant und glitzerte und strahlte, stellte Grossvater fest, dass er den Seelen-Notenschlüssel zwar gefunden, niemand ihn aber mehr verstand. Schweren Herzens liess er Kariplotzer, Wasocoupen, Vieliesklierer, Tutiparen, Stutokleper, Pisikaten, Casawoler, Putzuzopern im Pasapantern tutiparen.
So endete Grossvaters neue Sprache.
Aus: Grossvatergeschichten
Verlag: Prospero, Autor: François Loeb, Erscheinungsjahr 2009, ISBN 978-3-941688-01-8
"Grossvaters neue Sprache" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:
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