Kurzgeschichte der Woche

PC Tango

Verflixt! Wieder ist er ausser Betrieb. Gibt keinen Pieps mehr von sich. Mein Rechner. Alle Tricks habe ich bereits versucht. Ausstecken. Einstecken. Mit dem Hammer zuerst leise dann fest an das Gehäuse geklopft. Den Schraubenzieher wie ein Schwert gezückt. In Öffnungen herumgefummelt. Alles zwecklos. Und Hilfe aus dem Internet? Wie soll das gehen mit einem defekten PC? Also Hotline des ‘Producers’ anrufen. Warteschlange. Leise Musik. Nicht mein Genre. Scheusslich finde ich sie gar. Leiser drehen nicht möglich. Aufhängen? Nein, die Folter über mich ergehen lassen. Keine andere Wahl. Muss doch Kontakt mit Aussenwelt halten können. Warten … “Sie werden gleich mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden”. Dann folgt: “Wir bitten sie um etwas Geduld, hängen sie (sie jetzt wohl klein geschrieben gesprochen. Der Kunststimme Höflichkeit trieft vor Falschheit) bitte nicht auf”. ETWAS! Das ich nicht lache. Nein das Lachen vergeht mir bis auf die Knochen. Und dann beginnt alles von neuem: “Sie werden … “. Sie werden, sie (sie jetzt ganz winzig artikuliert) können mir …”, schmettere bei diesen, mir wie giftige Würmer in die Ohre kriechenden Worten, den Hörer in die Gabel die keine Gabel mehr ist, sondern eine Ladestation. Wenn mir laden nur helfen könnte. Doch ich lade einzig erneut Wut. Wende mich wieder dem Rechner zu. Der ist störrischer als der älteste Esel dieses Globus. Keinen Ton lässt er von sich. Nur das Echo der Hammerschläge, die ich jetzt mit Wucht ausführe, in seinem Inneren. Benimm dich, sagt mein Gewissen.

So hilfst du weder dem Rechner noch dir. Futsch ist futsch. Hin ist hin. Lass dich nicht auf Gewalt ein. Einen zerstörten PC kannst du auch nicht mehr auf eBay verhökern. Stimme meiner inneren Stimme zu. Hänge den Hammer an den Nagel. Muss ich wohl auch mit dem PC durchführen. Wende mich in Gedanken dem Neukauf zu. Zähle, ohne den nun geistlosen Rechner, im Kopf meine finanziellen frei verfügbaren Ressourcen zusammen. Nicht genügend bei den horrenden PC Preisen. Will im Netz nach Schnäppchen suchen. Gebraucht? Könnte passen. Ich bin ja auch bereits geschafft. Habe Kratzspuren am Körper. Was soll‘s. Wie aber ins Internet ohne Rechner? Und Internetcafés hier auf dem Land: Fehlanzeige. Bei Freunden auf den Rechner? Aber wer lässt gerne Freunde in das Innenleben des eigenen, mit Grauzonen eingedeckten PC’s gucken. Muss in die Stadt. Zum Grossanbieter. Doch woher die Zeit nehmen, wenn nicht stehlen. Und ich bin kein Dieb. Und so ein Kauf ist so vertrackt komplex. RAM; GB; INTEL4; DDR4 Speicher; 2,133 Mhz.; Festplatten, Tempo, Teufel. Bin doch kein Spezialist. Zu alt. Entwicklung rast. An mir vorbei. Suche im Telefonverzeichnis nach einem Händler. Zu Dutzenden. Zu Hunderten! Welchen kann ich vertrauern? Wer lässt sich auf einen Laien ein ohne mich zu demütigen. Mein Selbstvertrauen zu untergraben. Das besteht seit meiner Entlassung aus der Arbeitswelt nur noch aus Fremdvertrauen. Bin mir selbst fremd geworden. Aber ein PC muss her. Rufe die erste Nummer an. “Sie werden gleich mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden …”. Oh! Diese Musiktortur. Schmettere das Schnurlose, das mich zum Aussen verbindet, zu Boden. Es zersplittert. Wenigstens muss ich jetzt nie mehr auf den nächsten freien Mitarbeiter warten und niemand bittet mich je wieder um ‚etwas‘ Geduld ...

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Einige Kommentare zu dieser Kurzgeschichte:

Am 29. August 2016 schrieb ein anonymer Leser:

"Vielen Dank für die amüsante Geschichte. Ich fühle mich verstanden wenn ich dass lese. "

Am 26. August 2016 schrieb schrieb M.L.:

"Ja, es ist Freitag! Sie liefern den Beweis mit ihrer neuen Geschichte "PC Tango". Sie sind fündig geworden, auch ohne dem "Schnurlosen" und haben wieder einen Rechner. Ob neu oder gebraucht, es ist ganz egal. Sie können wieder schreiben und uns Leser mit Geschichten erfreuen. DANKE! "


"PC-Tango" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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