Mit hohen, stuckbehangenen Wänden stand es da. Das Museum. Ohne Dach. Damit die Gedanken, die ungedachten, sich frei fühlten. Tagsüber schien die Sonne auf sie, nachts gleißte und spiegelte Mondlicht sich in ihnen. Melancholisch tropfte auch der Regen an ihnen ab und wusch sie, die ungedachten Gedanken. Wärter bewachten sie. Denn sie waren zu wertvoll, um sie unbewacht zu lassen. Es mochte ja eine Perle darunter sein, die - einmal gedacht - die Welt verändern könnte. Ein Risiko. Ein großes Risiko. Und so drehten die Wärter gedankenlos ihre Runden. Unten an der Kassa - so war sie angeschrieben - warteten zwischen zehn und sechzehn Uhr Schlangen von Besuchern. Zahlten ihren Obolus, gaben ihre eigenen Gedanken an der Museumsgarderobe ab, erhielten dafür eine Nummer, die sie gedankenverloren einsteckten, um sich, argwöhnisch beäugt von den Wärtern, alsdann auf den vorgeschriebenen Rundgang zu machen.
Die ungedachten Gedanken hingen unsichtbar in den Sälen, pendelten wohl auch von einem zum anderen Museumssaal. Es war ihnen strengstens verboten, sich den Besuchern zu nähern, und widersetzten sie sich dieser rigorosen Regel, wussten sie, dass sie spätestens beim Gedankenscreening am Museumsausgang entdeckt würden und dort mit dem Besucher zu Tode kommen würden, denn die Museumsdirektion ließ eine Flucht nicht zu. Auch nicht übers offene Dach, das mit elektronischer Gedankenabwehr gespickt war und bei einem Fluchtversuch Großalarm auslöste. Gedachte Gedanken - ja, die gab es zur Genüge. Denn niemand holte an der Museumsgarderobe beim Ausgang seine Gedanken zurück; wie sollte er auch ohne Gedanken daran denken können. Und so kam es, dass, je mehr Menschen das Museum der ungedachten Gedanken besuchten, desto weniger Gedanken außerhalb des Museums anzutreffen waren und somit die ungedachten Gedanken immer wertvoller wurden und immer besser bewacht wurden...
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Neblig-trüb, trotz des herrschenden Hochdrucks, lautet die Wettervorhersage. Und tatsächlich präsentiert sich die Aussenwelten grauslig Grau in Grau...