kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.

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Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :

Gedankenhack

Auf der Schiefertafel vor dem Eingang der Metzgerei Schühler steht in weisser, unschuldiger Kreide in Grossbuchstaben:

HEUTE SUPER-HYPER ANGEBOT: GEDANKENHACK KG 7,45 EUR, inkl. MwSt.

Wundere mich darüber. Noch nie gehört, um was für eine lokale Spezialität es sich dabei handeln könnte. Kein Wunder. Bin erst seit drei wundervollen sonnigen Tagen in diesem Ort zur Erholung. Habe ein freundliches B+B gefunden, das meinem spartanischen Budget als unbekannter Autor entspricht. Nettes Zimmer. Das Bad über dem Gang. Es wird auch von den beiden Besitzern mitbenutzt. Möglicherweise ebenfalls das Zimmer, in dem ich träumen darf, denn darin befinden sich hinter einem geblümten Vorhang verborgen die textilen Besitztümer von Herrn und Frau Schühler, wohl entfernte Verwandte des Schlachters. Im Dorf heissen bestimmt die Hälfte der Ortsansässigen Schühler. Jedenfalls ein sonst nicht weitverbreiteter Name. Exilort schlechter, deshalb zwangs exilierter Schüler der Region, angereichert mit einem stummen h, das auf deren Protestlosigkeit hinweisen könnte? Wie dem auch sei, ich stehe vor der Metzgerei Schühler und deren Auslage. Grüble über den angebotenen Gedankenhack nach. Setze mich auf die Bank der Schlachterei gegenüber. Diese zieren links und rechts zwei herrliche tönerne Blumentöpfe, auf denen zu lesen steht, dass sie vom örtlichen Verschönerungsverein aufgestellt und gepflegt und im eisigen Winter das Exil in der gemeindeeigenen Unterhaltswerkstatt finden werden.

Gedankenhack …, woraus könnte der bestehen? Ich erinnere mich, dass meine Mutter für den von mir heiss geliebten Dackel Rinderhack beim Fleischer kaufte, den sie manchmal am Montag, dem Schlachttag, aus Überflussgründen geschenkt erhielt und der unseren 'Schnautzi' in den siebten Hundehimmel führte. Überlege, wie ich es als eingefleischter Vegetarier mit Hang zum Teilzeitveganer anstellen soll, hinter das Geheimnis der örtlichen Spezialität zu gelangen. Kann auch keinen Hund und noch weniger eine Katze vorschieben, beides wäre mir durch deren Abhängigkeit von meiner Person ein unüberwindbarer Gräuel. Erwerben kann ich also bei diesen Schühlers nichts. Beobachte den Senior, der mit dem grauen Schnauzbart, verfolge sein emsiges Gebaren durch die Schaufensterscheibe aus der sicheren Bankferne, sofern eine Bank als sicher gelten kann. Seine Bücklinge. Sein zufriedenes Händereiben beim Verabschieden der Kundschaft, nach getätigtem saftigem Kauf. Wie kann ich sein Vertrauen erlangen? Wie ihm die ungeschlachteten Würmer aus der Nase ziehen? Ganz abgesehen davon, dass Letztere mir als Vegetarier zutiefst zuwider wären. Muss den richtigen Augenblick abpassen. Den Feierabend? Der Augenblick nach dem Kassensturz. Dem wohl dem reichlichen Montag entsprechenden erfreulichen Umsatz. Das Momentum nutzend, wenn die kreidefressende Tafel eingeholt wird? Über Nacht wird diese kaum der Witterung, dem aus den dunklen Wolken dräuenden, Kreidestift löschenden Regen ausgesetzt bleiben. So verbringe ich den lieblich langen Tag untätig wie ein Nichtsnutz, von einer Verschönerungsbank zur andern, die Schühlerei stets im Blick felsenhart festhaltend, wandernd und mich darauf fläzend, bis ich um 18:30 Uhr voller guter Hoffnung vor der Kreidetafel stehen bleibe. Und tatsächlich nimmt der alte Metzgermeister Schühler, seinen Schnauzbart dabei zuvor kunstvoll zwirbelnd, mit bewunderndem Blick die Tafel ins Visier, hebt diese an, als ich ihn anspreche. Er stellt das in seinen Augen — es ist ja seine Schrift — Tafelkunstwerk sanft und vorsichtig auf den Boden und schaut mich mit seinen wässrigen graublauen Augen, in denen sich die Seelen so vieler geschlachteter Lebewesen reflektieren, neugierig an:

"Was darf’s sein? Möchten Sie noch Gedankenhack erwerben? Wir schliessen gerade. Letzte Gelegenheit, falls es Ihnen beliebt!" Ein strahlendes künstliches Lächeln umspielt sein weiss blinkendes Gebiss. Ich gebe eine halb bejahende, halb verneinende Kopfbewegung zum Besten, die ich mir im jahrzehntelangen diplomatischen Dienst angeeignet habe. Füge beinahe tonlos und doch verständlich — auch das habe ich im politischen Aussendienst erlernt — hinzu: "Könnten Sie mir noch die beste Zubereitung des Gedankenhacks erläutern?"

Mit einer weiten Armbewegung und den lieblich ausgesprochenen Worten: „Kommen Sie doch rein! Ich lade Sie zu einem Abendtropfen ein, den wir mit der Mannschaft — leider fehlt in unserem Team noch die begehrte Frau — jeweils montags um 18:37 zur Feier des Tages bei uns einnehmen.“
Ich folge seiner Einladung. Werde in die Hinterräume der sogenannten Wursterei geführt. Dort stehen Flasche und Gläser. Kleine Becherchen. Eine mit Intarsien verzierte Flasche, die von einem kunstvollen Zapfen gekrönt ist. Es wird eingeschenkt. Im Raum steht neben dem Schnauzbärtigen der Junior, der mir förmlich vorgestellt wird, und gedankenverloren der Geselle, der ohne Namen mir flapsig mit seiner Funktion nähergebracht wird.

„Also“, beginnt Schühler Senior: „Ich muss leider ausholen, um Ihre werte Frage zu beantworten. In letzter Zeit bin ich immer mehr ins Visier extremer Veganeranhänger geraten. Wurde richtig getriezt. Eier auf der Schaufensterscheibe. Frage mich, was dies mit gelebtem Veganertum zu tun hat. Ausgerechnet mit Eiern, der Zukunft kommenden Lebens. Also nein. Habe da nur Unverständnis. Sah aber ein, dass ich zu handeln habe, will ich mein Lebenswerk fortsetzen und der nächsten Generation vererben. Was ja das Ziel jedes Handwerkers darstellt. So kam ich auf die Idee, Gedankenhack anzubieten. Ganz einfach ist das. Die Kundschaft, die bei mir ein und ausgeht, hat ja viel dieses Rohstoffs im Schädel. Wenn ich nur ein Zehntel davon extrahieren kann und damit den Menschen Last von den Schultern nehme, hätte ich mein Ziel erreicht. So entwickelte ich diesen Apparat. Er besteht aus einem aus einem Bolzenschiessgerät weiterentwickelten Schirm, der über unserer Fleischtheke eingerichtet ist und die Gedanken der Kundschaft absaugt. Wie gesagt, nur ein Zehntel. Mehr würde bemerkt werden. Dann bringt eine Leitung — stellen Sie sich eine Minipipeline vor — die Gedanken hierher in die Wurstküche. Natürlich verflüssigt, sonst wäre der Gedankenfluss nicht möglich. Diese extrahierte, fluide Masse wird dann mit höchster Drehzahl durch den Fleischwolf gedreht. Dann durch die Hackmaschine. In essbare künstliche Därme eingebunden und fertig ist das Kunstwerk, das, so die ersten Erfahrungen, den Vertilgern äusserst gut schmeckt. Denn nicht wahr, der Mensch ist von Natur aus mit Neugier gesegnet, und was kann diese besser befriedigen als fremde Gedanken! Und jetzt zum Wohl!“ Das Gebrannte schmeckt sehr gut, was ich auch zum Besten gebe. „Ja“, erwidert Schühler Junior, „ist aus bösen Gedanken gebrannt. Brennt deshalb doppelt in der Speiseröhre.“

Als ich die Metzgerei frohgemut, bar aller Gedanken, und so fühle ich erleichtert, verlasse, überlege ich mir, ob bei Schühlers ein neuer Trend geboren wurde, der sich weltweit in Windeseile verbreiten wird. Nur der Name dazu steht noch nicht fest. Ich zweifle jedoch nicht eine Sekunde, dass dieser bald erfunden werden wird!



Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

A B - D A N K

Meine
Gedanken
Kommen ins Wanken.

Weil diese
Sich ernsthaft zanken
Ob sie wirklich nur gaukeln.

Oder gar angstvoll
Den Ernstfall
erbangen.




Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe (https://www.francois-loeb.com//kurzgeschichten-kostenlos-lesen/geschichten-erhalten/) auf Ihrer Homepage Ihrem Blog, oder der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber!!


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