Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören oder hier kostenlos und werbefrei erhalten >>
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Klee
Mein Hund heisst Klee. Nicht, dass ich ihm diesen unmöglichen Namen gegeben hätte. Ich erbte ihn von meinem Onkel, der vor Kurzem nach einem erfüllten Leben mit 88 Jahren friedlich das Zeitliche segnete, mich testamentarisch als Alleinerben einsetzte mit der Auflage, für seinen zwei Jahre alten Hund namens Klee zu sorgen und ihm bis ins hohe Hundealter ein würdiges Dasein zu ermöglichen. Diese Auflage sei vom Willensvollstrecker zweimal jährlich zu überprüfen. Bis zu Klees Ableben hätte ich mich mit dem ‚use fruit‘ zu begnügen. Einen Ausdruck, den ich bis zur Testamentseröffnung, die im ehrwürdig mit alten Möbeln ausgestatteten Notariatstempel erfolgte, nicht kannte. Ich könne selbstverständlich auch das Erbe ausschlagen, wenn ich es wünsche, dieses ginge dann gemäß dem letzten Willen an das Tierheim ‚Pfote‘ in unserer Stadt. Er, der Notar, rate mir aber, das Erbe anzunehmen, denn der Betrag an Anlagen, Gold und Barem sei so beschaffen, dass jährlich ein hoher fünfstelliger Betrag an ‚use fruit‘ bei gleichbleibenden Börsenkursen zu erwarten sei. Zudem sei zu bedenken, dass Hundeleben nicht ewig währten, er habe bei der Rasse von Klee nachgeforscht, dort sei ein statistisches Durchschnittsalter von 12,87 Jahren angegeben, und danach könne ich über alles frei verfügen. Ausgenommen von dieser limitierten Regelung sei selbstredend die Erbschaftssteuer, die vom Gesamterbe sofort durch ihn, den Notar, verfügbar sei und sogleich abgeschöpft dem Staat überwiesen werde.
Mein erster Gedanke nach dieser freudigen Erklärung — ich leide stets unter pekuniären Nöten und hänge vermögenden Träumen nach, die sich oft als Alpträume im Jammertal erweisen —, hetzte sogleich in beinahe Lichtgeschwindigkeit zu meiner kleinen Einzimmerwohnung, die ich mit meiner Katze Mini teile, sorgte mich um diese Lebensbegleiterin, der ich keinerlei Hundeaffinität zuschreibe. Mein erster Wille war, alles mit dem letzten Willen des Erblassers in Einklang zu bringen, weder den verstorbenen Onkel, noch Mini oder Klee zu enttäuschen. Als willensstark kann ich mich nicht bezeichnen. Die Umgebung schreibt mir ein goldenes Herz zu, aber keine Fähigkeiten, die mich in den Stand des Erfolgsmenschen erheben könnten. So erbat ich mir vom ehrwürdigen Notar 24 Stunden Bedenkzeit, verbrachte eine unruhige Nacht mit wilden Träumen, in denen Kleewiesen mit giftroten Blüten ihr wildes Wesen trieben, entschloss mich zur Annahme der Bedingungen, was dem strengen Notar ein Lächeln auf das faltige Gesicht zauberte. Ich wagte anschliessend die Frage an ihn, weshalb der Hund Klee heisse, was der Willensvollstrecker nicht zu beantworten wusste. Er mutmasste, es könne daran liegen, dass der Hund über allen Klee zu loben sei, damit er erträglich werde, denn dieser habe ein überschwängliches Temperament, das, so seine Ansicht, an einen Wolf erinnere. Aber ein junger starker Mann wie ich komme bestimmt mit ihm zurecht, er persönlich freue sich, dass das Tier in gute, starke Hände komme und nicht in einem Tierheim unter dem Neid seiner Artgenossen zu leiden habe und bis an sein Lebensende darob dort darben müsse.
Er habe dem Tier seit Tagen und auch heute für die Übergabe einige der Beruhigungstropfen verabreicht, die er selbst vor heiklen Verhandlungen zu seiner vollen Zufriedenheit nutze, so dass er ihn gleich aus seiner Closetthaft befreien und mir jetzt übergeben könne. Er erhob sich. Brachte ein den Kopf hängen lassendes Geschöpf an einer Leine, der kaum einen Fuss vor den anderen setzen konnte. Zum Abschied gab er mir zuerst die Hand, dann die Leine, und ich verliess als stolzer Hunde- und ‚use fruit‘ Besitzer, das Tier mit lobenden Worten überschüttend, das Gebäude. Bestieg in Anbetracht des schläfrigen Zustands von Klee mein Fahrrad nicht, sondern schob es, was mir einen Heimweg von beinahe einer Stunde einbrachte, den ich sonst in 10 Minuten schaffe. Der Notar hatte mir beim Abschied einen versiegelten Umschlag für die von meinem Onkel verfassten Klee-Verhaltensregeln in die Hand gedrückt mit der Instruktion, diesen erst zu Hause zu öffnen. Ich war natürlich sehr auf den Inhalt gespannt. Wer weiss, ob dort die zu verabreichenden Fleisch- und Knochenmengen oder magische Worte zur Zähmung des Untiers — es musste sich ja um ein solches handeln — beinhaltet wären. Ich stiess die Wohnungstür mit dem linken Fuss auf, abschliessen war ein Fremdwort, besass ich doch keinerlei Wertsachen. Als Antwort bekam ich ein entsetzliches Fauchen von Mini, die einen Buckel machte und sogleich mit einem gewagten Sprung aus dem Fenster das Weite suchte. Nun also hatte ich mich in Zukunft mit Klee als Hausgenosse zu begnügen. Ich brach das Siegel des Umschlags und entnahm ihm einen Zettel, auf dem in feiner Sütterlinschrift zu lesen war: „To whom it may concern: Klee benötigt neben seinen Fleisch- und Knochenrationen, die der Testamentsvollstrecker bereits bei der Übergabe nannte, um seine Aggressionen im Zaum zu halten und Unglücke zu vermeiden, siebenblättrige Kleeblätter. Also macht Euch rasch in Kleefeldern auf die entsprechende Suche.“
Und seit heute bin ich besessen vom Entdecken des wilden Klees und hoffe inständig, die Siebenblättrigen zu finden. Neben der Fütterung von Klee mit diesem Klee, hoffe ich, dass diese die Potenz von Glück des Vierblättrigen bringen mögen, auf dass ich die nächsten 10,87 Jahre nach statistischem Durchschnittswert gut und ohne an mir haften bleibende Haftpflichtprozesse mit Klee überstehen werde …
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
K L E E
Im Lee
Des Meeres
Neu zu entdecken
Ein Feld von Seeklee.
Mit viereinhalb, 2 Blättern
An übersteilen Wellen
Wänden kletternd.
Glück
In Plastik
Stetig wandelnd.
Geschrieben von François Loeb, Schweizer Schriftsteller. Weitere Geschichten finden Sie auf der Archivseite >> und hier sind alle Dreisatzromane >> aufgeführt.
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