kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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Schick-Saale

Ach, was liebe ich es, im Café an meinem Lieblingssitzplatz beim Rathaus mit Sicht auf die Fussgängerzone zu sitzen. Den kleinen Schwarzen vor mir stehend, Dampfwölkchen in die kalte Winterluft ausstossend. Die bunte Wolldecke über meine Knie gelegt, die mir angenehme Wärme spendet. Dabei en ofenfrisches Croissant auf dem farbenfrohen Teller, das, verführerische Düfte von sich gebend, darauf wartet, verzehrt zu werden und bewegungslos ohne Zukunftsangstgefühle schlicht vor mir liegt. Meine Augen aber sind auf die Passantinnen und Passanten gerichtet, deren Schicksale ich mir im Hinterkopf zusammenfantasiere.

Fantasiere? Wohl eher nicht. Ich bin überzeugt, bei meiner Geburt eine besondere Gabe erhalten zu haben. Nicht des fünften Gesichts, sondern des dreizehnten. Dasjenige, das durch alle unvorhersehbaren Schläge und Liebkosungen des Schicksals hindurchblicken kann. Nicht immer angenehm, kann ich versichern. Zum Beispiel an einem Tisch als Eingeladener zu sitzen, einen seltenen und exzellenten Tropfen im Gaumen zergehen zu lassen, und dabei zu erkennen, dass die Nachbarin demnächst einem Hochzeitsbetrüger auf den Leim gehen wird, wie mir eine freche, sich aufplusternde Synapse meines Hirns ihren bitterbösen Kommentar lauthals ohrwärts abzugeben wagt.

Doch zurück zu diesem feinen Wintervormittag mit dem auf sein durch meinen Gaumen vernichtendes, sich demnächst erfüllendes Schicksal wartenden krossen Croissant.

Da! Mein Blick bleibt an einem Jungen hängen. So um die dreizehn, schätze ich. Sein Saal im Schick? Glänzende Orden sehe ich an seiner bunten Uniform hängen. Blutgetränkt. Seines? Des Knaben Augensterne leuchten jetzt. Werden diese auch dann in die Ferne schimmern? Schon ist er entschwunden.

Eine Matrone kreuzt meinen Blick. Trauer sagt sich an. Über wen? Das eigene Schicksal? Oder das ihres Gatten?

Die junge Blondine mit dem langen baumelnden Zopf, was wird ihr geschehen? Will es nicht vernehmen. Doch einfach den schicken Schicksalsschalter ausklicken, geht nicht. Liebe erkenne ich. Herzensschmerz. Glückliches Los? Erfüllung. Erste Liebe. Zweite? Dritte? Umschwärmt wie eine blühende Blüte im Mai von einem weissen Schmetterling? Oder ist es statt weiss ein Weiser? Was wäre besser? Einsicht oder Ansicht? Die Antwort verpasse ich ob des schnellen Ganges der Blondine. Entflohen in die Zukunft. In deren unausweichliche Schick-Sale. Geschickte Sale? Ausverkauf in modernem Anglodeutsch? Die entrückende Antwort übersegelt eine gefrorene Wasserpfütze, auf der blasskalte Sonnenstrahlen von Wärme träumend baden. Doch Helios will sich nicht mehr zeigen.

Da entdecke ich einen Fetzen Papier, den der kalte Wind vor sich hertreibt. Ist dort mein Schick-Saal verzeichnet?

Ich stehe auf. Will den Fetzen erhaschen. Stosse meine Tasse um.
Ein braunes Bächlein läuft behände dem Boden zu. Wird es radikal einfrieren? Das Croissant folgt dem Kaffee. Doch einfangen kann ich den Fetzen Papier nicht. Er entwindet sich. Wird durch den kalten Wind vor sich hergetrieben.

Ist dort mein Schick-Saal im halligen Zukuntssaal wörtlich verzeichnet? Werde es nie erfahren und doch wird es sich, von mir nicht erkannt, erfüllen. Mein Schicksal. Eingefroren in der unbekannten, der Vorwelt nachfolgenden Nachwelt...


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

S C H I C K S A L

Geschickt ganz
Ohne jedes Tricksen
Kein Protestgegenklicken.

Und trotz Trotz
Tickt die Uhr
Pur + stur.

Das Schicksal
Sich streng erfüllt
Gefaltet oder auch total
Zerknüllt im Grauennebel eingehüllt.




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