Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören oder hier kostenlos und werbefrei erhalten >>
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
Die Schlange
Mein Freund Alex, ich bin stolz mit ihm verbandelt zu sein, denn wenn er im Gotteshaus predigt, werden seine Worte von seinen Lippen von ich schätze Hunderten von Sonntagmorgens Besuchern nicht nur verinnerlicht, nein, richtiggehend als Wochenproviant aufgeklaubt und nicht etwa am Ausgang wie Ballast abgelegt. Ja, so eine Freundschaft mit einem Wortgewaltigen erhebt mich aus der Menschenmasse über alle Masse hinaus, was mich mehr als glücklich stimmt. Von Zeit zu Zeit, wenn Alex ein kleines Zeitfenster öffnen mag, er den Durchzug nicht fürchtet, trinken wir im Anschluss an seine Predigt einen kleinen Schwarzen im Gasthaus zum Kühlen Krug, das sich ganz in der Nähe seiner Wort-Ausschweifungen befindet.
So stehe ich Sonntag für Sonntag am Portal, lasse die Zuhörerschaft nach Wort-Schluss an mir vorüberziehen, als ob ich als siegreicher General eine Parade der Truppen meines Freundes an seiner Stelle abnehmen würde. Warte, bis er in gewöhnlicher Strassenkleidung, in die er nach der anstrengenden Redeschlacht husch husch, um nicht erkannt, nicht von seinen Verehrern gelöchert zu werden, geschlüpft ist erscheint. An seinen Gesichtszügen erkenne ich dann, ob er mit seiner Arbeit zufrieden ist, sich erlauben kann, das Zeit-Fensterchen zu öffnen, oder im Gegenteil in sich verschlossen grusslos an mir, mich nicht erkennend vorbeizieht, dem Bedürfnis nachgeht, in sich zu gehen, innere Kritik zuzulassen, diese akzeptierend die Lehren daraus zu ziehen, um nicht Kopf voran in bodenlose Leere zu stürzen.
Heute jedoch kommt Alex von innerer Selbstzufriedenheit erfüllt mit einer Verspätung von gut einer halben Stunde entgegen dem üblichen Ablauf aus dem Portal. Strahlt mich an, der spontan aufflammende Applaus nach Beendigung seiner Worte, obwohl prinzipiell in diesem Hause untersagt und, von ihm mit beruhigenden Handzeichen abgewehrt, hängt noch an seinem elegant gepflegten Dreitagebart, fällt klirrend Bei-Spiel-Haft auf den Gehsteig, erreicht klangvoll trommelnd sich in die Höhe schraubend mein und sein Trommelfell. Im Glücksgefühl badend kommt Alex auf mich zu, umarmt mich voller Wärme; ich fühle dadurch seine fiebernde Ausgelassenheit.
«Lass uns zum Kühlen Krug gehen, dort jedoch anstelle des kleinen Schwarzen zur Feier des Tages ein Gläschen Perlwein auf mein Glück geniessen, damit ich dir deinen unverdienten Anteil meines Glückszustands übertragen und ich dabei die Geschichte, die mir geschehen ist, vor dir, als sei diese ein fliegender orientalischer Teppich ausbreiten kann». So bummeln wir Arm in Arm, das ist bisher nie geschehen, zum Gasthaus, setzen uns in den Wirtschaftsgarten, bestellen den edelsten Tropfen, den das Haus herzugeben hat.
Gemütlich sitzend bereite ich mein Gehör auf die Schlangengeschichte vor, spitze meine Ohren in Richtung von Alex’ Lippen, der auch sofort, ohne die mit goldschimmerndem Inhalt schimmernden Gläser abzuwarten, mit dem Ausbreiten seiner Geschichte beginnt:
«Als ich heute früh hier wohlvorbereitet in meine Arbeitsstätte eintrat und meine schwarze Ledermappe öffnete, entwand sich anstelle meines hart erarbeiteten Manuskripts eine Schlange, bewegte sich zu meinem linken Ohr, lispelte, sich dabei vorstellend, sie sei diejenige der Versuchung, die bei mir so guten Nährboden gefunden habe, die überhöhte Selbsteinschätzung munter spriessen lasse. Ich sei der Versuchung anheimgefallen, werde das auf alle Fälle mit einem oder mehreren tiefen Fällen zu bezahlen haben, es sei denn, ich würde nicht einzig in diesem Fall, sondern in allen zukünftig auftretenden Fällen zur Einsicht gelangen End-lich, ja, mit Bindestrich, zur Einsicht gelangen, meiner Selbstüberschätzung Valet zu sagen.
Ob es ein Traum war oder Wirklichkeit, das kann ich nicht beschwören. Jedenfalls werde ich mich in Zukunft daran halten, doch eins muss ich zugeben: auf Applaus nach meinen gewichtigen Worten will ich auch in Zukunft nicht verzichten».
Die Gläser werden aufgetischt. Wir stossen auf eine gute, glückliche Zukunft an. Da erhebt sich aus seinem Glas eine Schlange, schlängelt sich in sein linkes Ohr, und er fällt vornüber in sein Glas voller köstlichen Rebensafts. Was für eine Verschwendung, denke ich!
Ob ich das geträumt habe oder nicht, kann ich nicht beschwören, überlasse das Urteil der dieses jetzt Lesendend ...
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
G E S C H L Ä N G E L
Schlängelnd
Wege suchend
Ohne jede Prüfung
Geht die Menschen Schlange
Händchenhaltend Wange an Wange
Von einem Ende zum andern pendelnd.
Gegenseitig sich verneigend
Sich bestätigend
Gold ist in
Win+Win.
Doch der
Schlangen
Kater lässt nicht
Lange auf sich warten.
Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe (https://www.francois-loeb.com//kurzgeschichten-kostenlos-lesen/geschichten-erhalten/) auf Ihrer Homepage Ihrem Blog, oder der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber!!