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Schuften

„Also, wenn du weiterkommen willst, musst du mehr schuften“, sprach gestreng der Rektor meiner Mittelschule, vor den ich meiner ungenügenden Leistungen wegen zitiert worden war. Das ereignete sich vor 5 Jahren, drei Monaten und 2 ½ Wochen. So genau kann ich das beziffern, denn ich nahm seine Warnung ernst. Mehr als das. Diese belastete fortan mein weiteres Fortkommen.

Fortkommen im wahrsten Sinn des Wortes, denn ich verliess unmittelbar nach diesem Gespräch nicht nur die Schule, nein, auch mein Elternhaus und die Geburtsstadt. Wanderte aus. Wusste zwar damals nicht, wohin. Einzig war mir klar, dass ich zu schuften hatte. Schuften wollte. Zuerst die Strassenbahn. Als weisser Schwarzfahrer. Dann als blinder Passagier, versteckt unter einem Bündel Zeitungen im Postwagen. Zwar prasselten die News samt deren Buchstaben auf mich hinunter, sodass ich dachte, nie mehr in meinem Leben eine Zeitung zu lesen, geschweige denn in die Hand zu nehmen.

Da wehte mir eine Salzbrise in die Nase. Also wusste ich, an meinem ersten Zwischenziel angekommen zu sein. Der Hafenstadt, in der ich auf eine Überfahrt wohin auch immer hoffte.
Und tatsächlich, abends in einer Hafenspelunke kam ein dunkel dreinblickender Mann mit Kapitänsmütze in das Lokal. Goss sich 3 Schnäpse hinter die Binde und sprach mich an. „Siehst aus, als ob du Hilfe brauchst. Bist wohl am Stiften? Was ausgefressen?“ Natürlich verneinte ich. Schwarzfahren konnte ja nicht gefressen werden. Jedenfalls heuerte er mich gegen Kost und Logis auf seinem Seelenverkäufer an, den ich sogleich mit ihm bestieg. Er führte mich unter Deck, wies mir eine Hängematte und einen Spind zu und bemerkte, wenn ich echt schuften würde, bekäme ich ordentlich zu essen, ja sogar Extraportionen, sähe ich doch schmalbrüstig aus. Er wolle einen echten Kerl aus mir machen. Mir Leben einhauchen, denn bisher hätte ich bestimmt nur dahinvegetiert. Holte eine Pulle Schnaps aus der Kombüse, ermunterte mich, einen kräftigen Schluck zu nehmen. Ich hustete, sank sogleich in meine Hängematte und wachte beim ersten Lichtschimmer und heftigen Schaukelbewegungen, die meinem Magen zu schaffen machten, auf. Kaffeegeruch, der aus der Kombüse herüberschwappte, kitzelte meine Nasenhärchen, zwang mich, sogleich mit einem Sprung, wie ich es gewohnt war, aus dem Bett zu hüpfen. Nur lag ich nicht auf meiner heimischen Liege, sondern in einem Hamac. So landete ich auf den extra harten Schiffsplanken, umgeben von hämischem Gelächter einer wilden Schar bunt gekleideter Männer. Mein Versuch, auf die Beine zu gelangen, scheiterte Mal über Mal aufgrund des Seegangs, der einen in meinen Augen wilden Tango tanzte. Erneut ertönte feindliches Lachen, die Männer hielten sich dabei den Bauch und zeigten mit ausgestreckten Fingern auf mich, als sei ich eine Zielscheibe in einem Schützenstand.

Da kam der Kerl von gestern Abend, klatschte in die Hände, schrie: „Schluss mit lustig! An die Arbeit, der Wind frischt auf, wird bald zum Sturm!“ Er kam auf mich zu, packte mich am rechten Arm, befahl mir, den Abwasch des Frühstücks zu erledigen, warnte mich davor, dabei etwas zu zerbrechen. Für jede Scherbe gebe es einen Hieb mit dem Rohrstock. Ich solle mir bei der Arbeit nur vorstellen, in wie viele Scherben eine Tasse zerfallen könnte, damit ich Vorsicht walten liesse.

Machte mich an die Arbeit. Dachte dabei wie befohlen an Scherben, aber auch an das Wort schuften. Kam einerseits zum Schluss, dass jeder, der schuften musste, dies einem Schuft zu verdanken habe, oder aber, um dem Schuften zu entkommen, ein Schuft werden müsse. So war meine Berufskarriere, als wir an fernen Ufern landeten und ich dem Schuftkapitän landwärts entkommen konnte, vorgezeichnet. Schuften wollte ich nicht mein ganzes Leben, wurde zu einem cleveren Schuft.

Ja, bis ich meiner grossen Liebe begegnete. Eine Familie gründete. Und um diese zu ernähren, überzeugt von meiner Liebsten, wieder ehrlich zu schuften begann. Dem Schuft entsagte.


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

S C H U F T E N

Bienen schuften
Um des Honigs Willen
Grillen schuften für die Töne
Menschen dann für hohe Löhne.

Ohne schuften
Schufte leben
Von Andrer
Leben.

Schuftende Schufte
Jedoch werden Milliardäre
Lassen schuften ganze Heere
Angetrieben durch spitze Speere.




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"Schuften" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:







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