kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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Die Visitenkarte

Sie liegt auf dem Fussweg. Die Visitenkarte. Blitzblankweiss, trotz des gestrigen Regensegens, der so üppig ausfiel, dass die Abwasserkanäle die Flut nicht aufnehmen konnten. Spuren der Regenwege sind auch hier auf dem jetzt lehmigen Fussweg zu erkennen. Das Wasser bahnt sich stets seinen Weg, ganz anders als unkontrollierbare Menschenmassen, vor deren Wegvoraussagen selbst statistische Hirsche zu kapitulieren haben. Soll ich das Stück unversehrten Papiers aufheben? Haften Keime daran? Werde ich mich anstecken? Mit was auch immer, denn wer benutzt heute noch diese altertümliche Art, sich vorzustellen. Doch nur Mummelgreise, die von moderner Technik rein gar nichts verstehen. Irdische Ressourcen verschwenden. Papiernen Geistes sind. Also weitergehen. Kein Blick zurück wie Lots Weib, der auch mich in das Verhängnis führen könnte. Doch die Neugier rumort in meinen Eingeweiden. Das Bauchgefühl, das so viele Handlungen beeinflusst, wie ich erst kürzlich in meinem Fachjournal für Psychotherapeuten gelesen habe. Soll ich darauf hören? Rechtsumkehrt kann nicht schaden. Muss ja nicht aufheben. Kein Aufhebens aus der Visitenkarte machen. Von oben betrachten genügt vollkommen, grummelt mein innerer Motivator, der sich gerade im Bauchnabel suhlt, dadurch keine Aussensicht besitzt, jedoch heitere Innenansicht ausstrahlt. Nach 23 Schritten am Ziel angekommen. Mit Fersenkick, so gekonnt wie ein Profi der Fussballerzunft ausgeführt, versuche ich eine Seitenwende herbeizuführen, was mir nur mit knickriger Verschmutzung gelingt. Die Unschuld der Visitenkarte ist entschwunden. Nehme ein Papiertaschentuch in die linke Hand. Hebe damit das inkriminierte Stück auf. Stecke es in die Jackentasche. Mit gutem Umweltsäuberungsgewissen.

Linksumkehrt! Gehe jetzt mit Linksdrall die vor der ohne Reue ausgeführten Umkehr eingeschlagene Wegrichtung weiter. Lausche dem Vogelgezwitscher. Ein herrliches Konzert. Ich sollte vermehrt geschlechtsneutral denken und handeln, ruft mir mein Innenmotivator, der dem Bauchnabel entsprungen ist, lauthals unmelodiös mit piepsender Stimme zu. Er sollte sich am Gezwitscher ein Beispiel nehmen. Werde ihn dort für den Unterricht anmelden. Nach gefühlten 30 Minuten, nach meiner Armbanduhr sind es 53 (die Freiheit der Gedankensprünge beim Wandern verkürzt die Zeit in potenzierter Weise), erreiche ich mein bescheidenes Heim, das dringend einer Reinigung bedarf, die ich jedoch stets auf den nächsten Tag zu schieben weiss. Nehme die Jacke ab. Ach ja, die Fundsache ist noch ohne Berührung zu entsorgen. Zum Altpapier? In den Restmüll? Klaube während des schwerwiegenden Entscheidungsvorgangs das Papierstück aus der Tasche. Kaum ist die Visitenkarte an der frischen Luft, entfaltet sie feuchtfröhlich ihre Flügel. Entschwindet zur Zimmerdecke mit einem Zwitschern, das in meinem linken Ohr hängenbleibt. Kreist jetzt um die eingeschaltete Lichtquelle, als sei sie ein brummendes Insekt. Und lässt immer noch melodiös zwitschernd, als sei es ein Geburtsvorgang, ich traue meinen Augen nicht, einzelne Buchstabeneier fallen. Zuerst ein grosses farbiges A! Dann folgen M, S, E und L. Anschliessend ein silbern schimmerndes Leerzeichen. Es folgen: V,O,R,L,E,B,E,N, Leerzeichen, A,M,S,E,L,F,O,R,S,C,H,U,N,G,S P,R,O,F,E,S,S,U,R, Leerzeichen. J,E,T,Z,T. Leerzeichen. I,M. Leerzeichen. H,I,M,M,E,LS,R,U,H,E,S,T,A,N,D.

Und während ich mit der Kehrschaufel die Eierschalen der gelegten, zerschellten Buchstabenfrüchtchen aufwische, erkenne ich, dass das Gezwitscher mich zukünftig stets und immerwährend bei meinem Tun begleiten wird, sich nicht mehr löschen lässt. Was ist die Botschaft, die mir übermittelt werden soll? Ein Rätsel, das mich fortan in meiner Spatzenforschungsprofessur begleitet wie das Mysterium des ewigen Lebens …  



Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

D I E  V I S I T E

Eine
vereinsamte
Visitenkarte kommt
Visitierend auf leisen
Papieren Riesensohlen
Ungemeldet einfach zu Besuch.

Zu mir dem weissen Raben
Der verschleudert seine
Gaben. Klicksklacks
Ritsch Ratschs
Pflatsch.

Gefallen
In die Krallen
Singend jubelnd
Über das vertane Leben
Dabei betrachtend genüsslich
Die wachsend Reben eines kommend
Seins in dem es gibt keinerlei Reue über Gaben.




Die Wochengeschichte und/oder der Dreisatzroman können stets mit Quellenangabe (https://www.francois-loeb.com//kurzgeschichten-kostenlos-lesen/geschichten-erhalten/) auf Ihrer Homepage Ihrem Blog, oder der Vereinszeitschrift kostenlos aufgespielt werden!
Ich freue mich darüber!!


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