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Farbig nach Hause tragen

Getrost Schwarz auf Weiß nach Hause tragen verheißt ein Spruch unserer Vorfahren. Bahh! Schwarz auf Weiß! Ich will Farben nachhause tragen. Getrost Rot auf Blau! Oder Pink auf Gold, Malve auf Veilchen, also alles was Farbe verheißt, mein Leben farblig hell gestalten mag. Schwarz auf Weiß kann warten. Warten bis es mein alle Farben löschendes Ableben verkünden muss. Dann sind Farben unanständig. Unästhetisch. Oder sind farbenfrohe Todesanzeigen bereits gesichtet worden? Keinesfalls! Doch als ich gestern auf der Strasse meinen Freund den Obdachlosen ansprach, ihn zu einer warmen Suppe in mein Stammlokal einlud, war es genau das was er sich von mir wünschte. Darauf bestand. Und das entwickelte sich (ich will kein Wort unserer Unterhaltung auslassen) wie folgt:

Wir schritten langsam, mein Freund hatte sich bei mir untergehakt, in mein Stammlokal, ein edles Hotel-Restaurant. Beim Eingang stellte sich uns der Türsteher in die Quere. Wollte den Weg nicht freigeben, bis er mich plötzlich erkannte, einen tiefen Bückling unternahm, und mit „guten Tag Herr Professor, wünsche gut zu speisen“, uns zum Eingang des Nobellokals eskortierte. Als der Maître des Lokals mich sah, blickte er zuerst verdutzt, selbstverständlich ohne mich zu Duzen, auf meine Begleitung, um darauf trotzdem, wenn auch widerwillig, einen dreiviertel Bückling zu vollführen. Führte uns zum versteckten Katzentisch. Dies unter den strafenden Blicken zahlreicher Notabeln die es sich gut gehen liessen und tief in Bereicherungsgesprächen vertieft waren, aus denen sie kurz bei unserem Anblick aufschreckten, um gleich darauf in diese zurückzufallen, tief zu fallen, wie mein Gast nicht ohne Häme bemerkte. Wir nahmen Platz.

Entrollten die blütenweissen Servietten die eher einem Leintuch ähnelten, bestellten auf Wunsch meines Begleiters eine farbige italienische Minestronesuppe mit allem Drum und Dran, an der sich unsere Gaumen daraufhin erfreuten, seiner bestimmt zehn Mal mehr als meiner.
„Stell Dir Mal vor“, bemerkte mein Gast laut schmatzend, „die Minestrone wäre Schwarzweiß, würde diese gleich schmecken?“ Ich wiegte mein Haupt leicht von links nach rechts, um die Frage zu verneinen. „Das ist mein Beweis, dass Traueranzeigen um zu trösten farbig sein sollten! Also meine soll es sein! Obwohl ich weiß, dass keine für mich erscheinen wird …“




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