Kurzgeschichte der Woche

Auf Gedeih und Verderben

AUFGEDEIHUNDVERDERBEN steht an der Anzeige des Fern-Bus, der als einziger auf dem Abfahrtssteig des kleinen Busbahnhofs meiner Wohngemeinde bereit steht. Ich habe mir ein Ticket für Badeferien nach Rimini gebucht. Eine lange Reise. Aber günstig. Und mein Geldbeutel erlaubt zurzeit nicht mehr. In Rente. Versorgungszahlung an meine Ex. Und meine Pension ist auch nicht auf Rosen gebettet. Höchstens auf deren Dornen. So habe ich zu Haushalten. Ein Flug, selbst im Billigflieger, oder ein Bahnticket liegt nicht im Budget. So stehe ich am Busbahnhof. Aber Destination nach GEDEIHUNDVERDERBEN, da steige ich nicht ein. Doch weit und breit kein anderer Fern-Bus. Meiner muss wohl Verspätung haben. Nun, man kann nicht alles haben. Pünktlichkeit und Preis-Schnäppchen. So stelle ich meinen Koffer mit den Badesachen und der aufblasbaren Ente aus Kindertagen, die ich stets ans Wasser, selbst ins Schwimmbad mitführe, auf den Boden, obwohl dieser nicht durch Sauberkeit auffällt. Da sehe ich den Fahrer des GEDEIHUNDVERDERBEN Bus aussteigen. Er führt ein Megaphon zum Mund und ruft, nein das kann nicht sei, meinen Namen aus. Wiederholt. Hängt die Wortfetzen „BITTE MELDEN“, lauthals und verstärkt, an.

Soll ich, oder soll ich mich nicht outen? Denke lieber nicht, kann nie wissen was der will. Doch er kommt direkt auf mich zu. Bin ja auch der Einzige der hier steht. Könnte also ein Zufall sein. Mich verleugnen? Geht doch ganz einfach. Kann behaupten hier auf meine Liebste zu warten, die mit dem Bus ankommen soll. Doch wann ist dessen Ankunft? Müsste ich ja angeben können. Doch kann behaupten sie habe mir gesagt im Laufe des Tages. Und ich braver Liebhaber, nein Verlobter tönt besser, warte hier mit großem Herzklopfen. Ja, das muss der Kerl vernehmen können, denn meine Pumpe schlägt aus Furcht wie ein von der Tollwut befallener Fuchs rennt. Denn ich will nach Rimini und nicht auf Gedeih und Verderben dem Busfahrer oder irgendjemandem ausgeliefert sein. Steige bestimmt nicht ein. Jetzt ist er bei mir. Nennt nochmals meinen Namen. Sieht mich mit glotzigen Augen an. Ich verneine. Da nimmt er meinen Koffer. Reißt diesen aus meiner Hand. Verstaut ihn im Gepäckfach unter der Passagierkabine. Sagt zu mir: „Sie sind ein Glückspilz. Der Passagier den ich erwarte kreuzt nicht auf. Da haben Sie die Reise nach Rimini gewonnen! Darf ich mich vorstellen mein Name ist Gevatter T. Du kannst aber auch nur Gevatter zu mir sagen. Das T Weglassen. Ist besser wenn wir auf Du sind für die lange Reise die vor uns liegt …“

Aus dem Bus vernehme ich Musik. Ungewöhnliche Musik. Weder Rap noch Pop. Sind das klassische Klänge? Mein Großvater schwärmte einmal von himmlisch überirdischer Musik. Von Mozart wie er es damals benannte. Klingt fremd in meinem linken Ohr. Im rechten recht heimisch. Was der Gevatter davon hält erkenne ich nicht. Nur, dass er weder ein rechtes noch ein linkes Ohr sein Eigen nennt. Gehörlos sein muss. Deshalb frage ich ihn nicht was er von den Klängen, auch nicht von der Fern-Bus Anschrift GEDEIHUNDVERDERBEN hält. Antwort könnte ich vom Gevatter nicht erwarten.
So sehr ich mich danach sehne …




Dreisatzroman der Woche

W I E W A W O S T I B U S

Der Wiewawostibus sucht sein Leben lang das Wann.

Wann, er stets sehen kann, doch holt er es nicht ein, wie mächtig er auch eilt in seinem Sein.

So bleibt er ein Wiewawostibus der träumt vom Wann, so lang er kann.




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"Auf Gedeih und Verderben" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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