Kurzgeschichte der Woche

Die Abseitsfalle

Ich erinnere mich noch ganz genau -- an die vier Jahre war ich wohl damals --, wie mein Vater nach dem sonntäglichen Fußballspiel, das er besuchte und für das ich in seinen Augen bedauerlicherweise noch zu klein war, in meinen Augen traf das überhaupt nicht zu, von der Abseitsfalle seines Vereins schwärmte, die so vortrefflich funktionierte, dass der Sieg bereits beim Spielbeginn zur Hälfte gesichert war.

Als Knirps verstand ich das Wort zwar sehr genau, zweifelte jedoch daran, ob es denn wirklich auch das bedeutete, was ich darunter verstand. Denn, bitte sehr, eine Mäuse- oder Rattenfalle war ja stets mit Tod und Blut verbunden, und ein entsprechend großes Gebilde aus Gitterdraht, in dem ein Spieler sich verfangen konnte und zu Tode kam, überstieg fast meine Vorstellungskraft.

Einzig des Nachts, geschützt durch meine Bettdecke und von den sonoren Schnarchlauten meines Vaters begleitet, nahm ich den Mut in beide Hände und stellte mir die Szene bildlich vor, Vater beteuerte ja immer, dass die besagte Falle vor dem eigenen Tor zur Aufstellung kam. Und so entstand – der Halbschlaf legte seine Bärenpranke bereits auf meine kleine Schulter und blies seinen lauen verträumten Atem in mein von abseitigen Fallengedanken erregtes Gesicht – ein unsägliches Bild, in dem mein Vater mit seinen Kumpanen in Blitzeseile auf dem Rasen -- an einem Nachmittag hatte ich mal an seiner Hand das Heiligtum spiellos besuchen dürfen -- eine Gitterkonstruktion aufstellte, die Falle mit vier Männerstärken spannte, als Köder eine Salamiwurst von mindestens zwei Metern Länge auf den Fallenboden legte, um sich gleich darauf hinter dem eigenen Tor in Sicherheit zu bringen.

Der Ball wogte derweil mal hin, mal her, die Spieler waren nass geschwitzt, balgten sich wie junge Welpen um den Ball, und da, ein Angriff auf das Mannschaftstor des Vaters, der Ball kam ihm gefährlich nah! Doch plötzlich erblickten die gegnerischen Spieler -- sie trugen hässlich violette Knickerbockerhosen, weshalb war keine Frage die mich jetzt beschäftigte, zu fest war mein Blick auf die unsägliche Falle gerichtet -- die riesige Salami, ließen vom Toreschiessen ab, hatten einen vor Hunger messerscharfen Blick, rannten zur Falle, griffen nach der Wurst … und ich schreie, schreie jedes Mal, und der Vater wacht ob meiner warnenden Hilferufe auf, kommt an mein Bett, sagt zu der Mutter: „Der Junge wächst zu rasch, Alpträume nisten wie junge Lerchen in seinem Kopf“. Und beruhigend streicht er mir übers Haar, während ich leise weine, denn wieder habe ich des Vaters Spiel verdorben, durch meine Ängstlichkeit den Sieg vergeben.




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"Die Abseitsfalle" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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