Kurzgeschichte der Woche

Die Katze lässt das Mausern nicht

“Mit Fliegen fängt man Mäuse”, richtet der ältere gepflegte Herr der neben mir im Bahnabteil sitzt das Wort an mich. Selbst bin ich auf der Fahrt zu einem Lokaltermin eines Einbruchs mit Personenschaden um mit zu helfen den Täter zu eruieren. Was soll das, denke ich! Ist eine Korrektur notwendig? Soll ich mich hinter der Zeitung verschanzen, oder den Schwerhörigen mimen. Könnte überzeugen da ich Hörgeräteträger bin und diese ja um den Bahnlärm zu unterdrücken ausgeschaltet haben könnte.
“Der Bär geht zum Brunnen bis der Honig ausläuft”, fährt der Herr jetzt seine Konversation, wesentlich lauter, er muss meine Hörhilfe entdeckt haben, fort. Sieht mich nun durchdringend an. Beugt sich in meine Richtung, sodass sich sein aufdringliches Rasierwasser in meinen Nasenhöhlen festzusetzen sucht. Wie nur kann ich ihm entkommen? In Ruhe über meinen Fall nachdenken den ich zu lösen habe. Ich lehne den Kopf jetzt an das Fenster, schliesse die Augen. Atme regelmässig und laut. Versuche Schnarch-Geräusche zu produzieren, was mir nicht richtig gelingen will, obwohl meine Gemahlin sich immer darüber beschwert.

“Schlafensstund hat Teufel im Mund”, ruft der Störenfried nun lauthals durchs Abteil. Beinahe alle Passagiere drehen den Kopf in unsere Richtung. Der Mann ist jetzt so nahe an mein rechtes Ohr gerückt, dass sein Atem meine Nackenhaare zu bewegen beginnt. Diese sich sträuben. Was will der Kerl mit seinem Gefasel? Ein Bauchimpuls steigt zu meiner Zunge empor. In die Schranken weisen, empfiehlt er. Los stosse ihn weg. Sag ihm deine Meinung. Ein Hirnstrom versucht den Impuls in seine Schranken zu weisen. Gelingt nur teilweise. Ich werde nicht handgreiflich. Sage nur laut und deutlich:
”Was soll das?” “Mit Fliegen fängt man Mäuse! Sie sind doch Kommissar. Dann fangen Sie heute die Maus. Ich bin Hellseher. Nur an das Denken was ich Ihnen sagte”, steht auf, verneigt sich leicht. Steigt aus dem Zug der soeben an einem grösseren Bahnhof gehalten hat. Was für ein Unsinn Menschen vor sich her schwafeln, sage ich zu mir selbst. Schliesse jetzt echt meine Augen. Ob ich schnarchen werde? Einerlei. Hauptsache ich verschlafe nicht meinen Ausstiegsbahnhof den wir in zweiunddreissig Minuten erreichen werden.

Pünktlich fünf Minuten vor Ankunft wache ich auf, strecke mich. Dehne mich. Nehme meine Aktenmappe. Steige aus. Ein Kollege erwartet mich. Wir steigen in seinen Dienstwagen. Fahren zum Präsidium. Er berichtet, dass noch keine Indizien vorliegen. Der Fall kaum aufgeklärt werden kann. Zumindest nach jetziger Aktenlage. Eilen ins Konferenzzimmer wo bereits einige Damen und Herren auf uns warten. Die Vorsitzende Polizeipräsidentin legt alle Fakten auf den Tisch. Zudem eine Karte in grossem Massstab der Gegend. Kreise sind dort eingezeichnet. Ein Kollege berichtet über die Fahndung in diesen Gebieten. Über die Hausdurchsuchungen. Befragungen. Ich wehre eine ekelhaft dicke Stubenfliege ab die mich bereits seit Minuten quält. Weshalb mich? Sie setzt sich auf die Karte. Verharrt dort. Muss Essbares gefunden haben. Einen Schweisstropfen? Das Salz? Immerhin stört sie mich nicht mehr. Lenkt mich nicht mehr ab. Ein Gedankenblitz! Beuge mich über die Karte. Bemerke in die Runde dass wir wo die Fliege sitzt suchen sollen. Verständnislose Blicke. Einige werden mich wohl als durchgedreht halten. Trotz meiner vielen Fahndungserfolge. Ich beharre. Verlange dass wir dorthin fahren. Setze mich durch. Wir werden gleich aufbrechen … Sehe auf meine Notizen. Suche die Koordinaten des Fliegelandepunkts. Unleserlich. Die Kugelschreibertinte ist ausgelaufen. Dunkler Punkt statt hellen Sehens …

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Ein Kommentar zu dieser Kurzgeschichte:

Am 01. Oktober 2016 schrieb ein anonymer Leser:

"Ich geniesse Ihre 'augenzwinkernden' Kurzgeschichten. Ob sie gut sind oder schlecht ist für mich nicht so wichtig. Aber sie amüsieren mich und regen mich oft auch zum Nachdenken an.
VIELEN DANK!"


"Die Katze lässt das Mausen nicht" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:





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