Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören. 
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf  >>) :
Blütenzauber
Mein Kumpel aus früher Schulzeit ist ein Gartenfreund.  Unsere Freundschaft hat auch Gartenlose Zeiten überwunden. Wir treffen uns  unregelmässig, dann wenn es gerade jedem in den Kram, in seinen Tagesablauf  passt. Heute früh hat er mich angerufen. Bereits um 06.30, mich aus dem Schlaf  gerissen. Ich sah, bevor ich dem Ruf meines Handys folgte, aus dem Fenster. Wie  in den letzten Tagen, obwohl bereits hell, diesig. Die Natur, auch mein Garten  wie in Watte verpackt. Ärgerlich befreite ich mich von traumschweren Kissen und  Decken. Griff nach dem Störenfried, mich ärgernd, wer um diese gottvergessene  Zeit anrufen könne. Mit einem tiefen Seufzer las ich die Nummer meines, den  Gartenfreuden sich widmenden, Kumpels ab. Klar, wer sich einem perfekten Garten  Eden annähern will, muss die frühen Stunden nutzen. Die Stunden die er  Taustunden nennt. Nicht etwa weil dann Tau auf den Blättern liegt, nein, weil  der Tag auftaut. Aus seinen Träumen sich erhebt. Sich streckt und reckt. Die  Stängelsäfte richtig fliessen lässt. Das Chlorophyll befeuert, so wie wir  Menschen unsere Zähne frühmorgens reinigen. Die Wortwahl meines Freundes ist  reich. Von der Kreativität der Natur beeinflusst. Kein Wunder, denke ich,  verbringt er doch mehr als die Hälfte seines Lebens im Grünen, was bereits, ich  konnte es zuerst kaum glauben, auch auf seine Augenfarbe abgefärbt hat. Von  klarem Meeresblau mit kleinen grünen Tupfern, haben sich diese jetzt in seinem  fortgeschrittenen Alter in ein helles Grün mit blauen Meersturmfarbenpünktchen  gewandelt. Etwas unwirsch antworte ich an diesem ‚kleinen‘ Morgen', wie ihn die  Franzosen nennen. Brumme, ohne Worte meinen verärgerten Morgengruss. Er aber  antwortet fröhlich und ansteckend wohlgelaunt. Bittet mich zu ihm zu kommen. In  seine Blütenpracht. Es lohne sich heute besonders. So etwas hätte ich in meinem  Leben noch nie gesehen. Sein Experiment sei aufgegangen. Gelungen. Ein kleiner  Schwarzer, entsprechend der Zeit, stehe dann auch schon bereit. Für mich mit  drei Würfelzuckern gesüsst, klar aus braunem Rohrzucker, wie ich ihn lieben  würde. Klick! Und er lässt mich Morgenmuffel allein mit meiner üblen  Morgenlaune und dem bitteren Geschmack verpasster Träume im Rachen. Widerwillig  ziehe ich ein T-Shirt an. Ein grünes, um den Grasflecken, die sich bestimmt in  seinem Garten einstellen werden, gute Gesellschaft leisten zu können. Und die  Latzhosen die mich stets an meine Spielhosen der Kindheit erinnern.  Katzenwäsche. Eisig ist das Wasser aus der Leitung. Brrr. Meine Fingerspitzen  auf Gefühle getrimmt, erleiden unmittelbare Gefühllosigkeit. Handschuhe  anziehen? Mitten im Juni? Nein, da müsste ich mich schämen. Kämen alle auf den  Gedanken mein Blut sei bereits erkaltet. Erkältet wäre mir lieber! Marschiere  los. Über den kleinen Hügel. Der Kirchturm eingebettet in feinem Nebelhauch.  Könnte ein Bild des englischen Malers Turner darstellen. Auch er muss wohl zu  unmöglichen Zeiten zu seinem Freund gepilgert sein. Die langgezogenen Grashalme  am Weg biegen sich in der Morgenbrise. Deren Katzenwäsche? Die Farbenpracht der  wilden Blüten betören meine Augen, blenden meinen Geruchssinn. Da erkenne ich  bereits den Garten meines Kumpels. Mit seinem Hexenhäuschen inmitten seines  natürlichen Kunstwerks. Bin gespannt welche Blüten er mir vorführen wird.  Seinen ganzen Stolz legt er in die Züchtungen, in seinen grünen, bei ihm eher  multifarbigen Daumen. Öffne das quietschende Gartentor. Schmieröl ist nicht des  Kumpels Sache. Muss ja alles biologisch sein. Olivenöl wäre zu  verschwenderisch. Und das ist mein Freund nur im Wassergiessen. Er kommt mir  entgegen. Umarmt mich. Strahlt sein inneres Glück direkt in meine Seele. Wie  das wirkt. Echter Griesgramaustreiber!
  „Dein kleiner Schwarzer wartet im Gewächshaus. Dort zeige ich Dir auch mein  neustes Wunder!“ Führt mich, am Ellbogen mich haltend, hinter sein Haus. Öffnet  das Törchen. Ich muss mich bücken. Tropisch feuchte Wärme lässt Schweissperlen  auf meiner Stirne spriessen. Höre ein Rattern und Knattern. Sehe ein schwarzes  Ding das sich rotierend in sich selbst bewegt. Gehe näher. Sehe einen Trichter  in dem eine Masse quirlt. Am anderen Ende des drei Meter langen schwarzen  Undings entspringt geschnittenes farbiges Papier. Akkurat gefaltet. Stück um  Stück. Und mein Freund stellt sich in professorale Position, schlüpft hinter ein  mit Papieren übersätes Stehpult und beginnt freudestrahlend mit seinen  Erklärungen:
  „Blüten, siehst Du, habe ich gezüchtet, oder sollte ich es besser als  Fabrizieren bezeichnen? Echte Blüten! Denn, vergiss nicht Geld regiert die  Welt! Doch schau genau hin! Da wirst Du blaue Wunder erleben.“ Und ich gehe  näher. Sehe wie grüne Blätter und dann rote und meerfarbene Blüten den  papierenen, falschen Banknoten, den Blüten entsteigen. Mein Freund fährt fort:
  „Geld alleine ist nicht das wahre Glück, man muss jedes Quäntchen davon zur  Blüte bringen, damit Mitmenschen Freude bereiten …!“