kostenlose Kurzgeschichte der Woche

Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche

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Fahrspurumwidmung

AMTLICH! Steht auf dem Briefumschlag. Und mich muss tatsächlich auf die Poststelle wandern, die immerhin 12 Kilometer von meinem Domizil entfernt ist. Ja, so geht es einem, wenn man aufgrund seines Umweltgewissens auf motorisierte und auch elektrische Untersätze verzichtet und hoch oben am Berg seine Behausung aufgeschlagen hat. Natürlich auch aus pekuniären Gründen, denn wo kann ein unbescholtener Bürger sonst seine Zelte dem geringen Einkommen als Schreiberling angepasst kostengünstig aufschlagen. Nun, als Unbescholtener AMTLICH gar in Grossbuchstaben aufgefordert werden, einen Brief einzuholen, als gehe es darum einen vollen Kescher mit einem riesigen, bissigen Hecht an Land zu ziehen, der sich zu wehren weiss, ist gewiss ein starkes und kein halbstarkes Stück! 

Ich habe von Ämtern nichts zu befürchten, sagt mein gutes Gewissen, das sich in meiner linken Socke verkrochen hat. ‚Angst ist der schlechteste Ratgeber, den es gibt‘, bemerkte bereits meine Urgrossmutter, als sie von den kriegerischen Erlebnissen berichtete, denen ER, wie sie ihn stets nannte, zum Opfer gefallen war. Also frohgemut die Wanderschuhe angezogen, den Bergstock mit der rechten, ja nicht mit der linken, das bringt Unglück, Hand ergriffen, um angstfrei, ausser meiner Bedenken der dräuenden schwarzen Wolken am Horizont wegen, losmarschiert ins Tal. Am strudelnden Bach, den Wasserfällen entlang durch die Schlucht den Weg unter das Schuhzeug genommen, den leeren, leichten Rucksack am Rücken Leichthands unbemerkt mitführend. Nie wissend, ob AMTLICHES schwer wiegen kann. Vorsicht ist die Mutter der Bürgerpflicht. Einen Laib Brot. 6 Pfund schwer und 5 kg Mehl sind jedenfalls dann in die Höhe zu schleppen. Denn wer will guten Gewissens, auch wenn sich dieses aus dem Socken auf die Socken machen wird, amtlich oder unamtlich elendiglich in süsser Bergluft verhungern. Treffe zwei ausgebüxte Ziegen. Keine Zeit nachzuforschen, ob sie den Spuren des Wolfs folgen, um endlich dann von ihrem meckernden Sein erlöst zu werden.

Weiter über Stein und Stock, denn längst hat sich die Welt auf den Kopf gestellt, folgt nicht mehr dem Sinn ursprünglicher Wörtersprüche, auch wenn ich in meinem Adlerhorst nicht zu viel davon abbekomme. Der Weg wird ausgeglichener. Das gute Gewissen versucht aus einem Sockenloch zu kriechen. Halte es mit Gewalt zurück. Denn wie sonst ohne dieses das AMTLICHE Schreiben in Empfang nehmen? Schreite deshalb schneller voran. Meinen Schuhsohlen schmeckt der heisse Asphalt nicht. Wollen den Dienst quittieren. Einfach aufgeben. Sich von mir lösen. Erlöst werden auf einen Streich, einen Schritt. Das lasse ich vom guten Gewissen unterstützt nicht zu. Rufe, beide zur Ordnung. Befehle: Durchhaltewillen. Verspreche, steinige Zukunft, was diese knurrend murrend annehmen. Erreiche das Dorf. Ein Schluck aus dem Dorfbrunnen wirkt Wunder. Lebensgeister lassen die Vergeistigung links liegen. Treten selbstbewusst ins Postamt. Legen den Abholschein vor. Der sei leider bereits verfallen, bemerkt der Posthalter, der wie hypnotisiert seinen Verwandten, meine Sockenhalter anstiert. Zu spät sei ich gekommen. Es stehe doch ABHOLUNG innert 24 Stunden. Und jetzt seien 25 verflossen. Somit der AMTLICHE Brief auf dem Rückweg. Nicht weiter schlimm, grummelt er, der immer noch hofft, seinen Verwandten befreien zu können, es habe sich um eine FAHRSPURUMWIDMUNG gehandelt. Das sei bei mir eine hoffnungslose Angelegenheit. Ich sei festgefahren. Sozusagen in meine jetzige abgesonderte Fahrspur betoniert. Im Amt herrsche nun die neue Generation, die auch die Alten, wie ich einer sei, auf frische Wege bringen wolle. Die Amtsinhaber wollten mir ein schlechtes Gewissen einimpfen, nachdem der Zeitgeist sich nicht bis zu mir in meinen Hochsitz begeben könne, sich dabei verirren würde und mich dadurch nicht verwirren werde, was ausserordentlich zu bedauern sei.

Da bricht aus meinem linken Socken ein wahrer Gewissenssturm los. Erobert das Postamt. Weht durch die Postamtsstube. Eilt dem ausgehenden Postsack nach. Öffnete diesen gewaltsam. Nimmt die AMTLICH bezeichnete an mich adressierte Sendung an sich, quittiert mit meiner natürlich gefakten Unterschrift, reisst den Inhalt in tausend Schnipsel, zerstreut diese stürmisch hoch in die Wolken und verkriecht sich in die rechte Socke, denn gutes Gewissen will ruhiges Ruhekissen sein und verpflastert damit die Blase, die ich mir beim anstrengenden Abstieg aus meinem bisherigen Leben eingefangen habe.


Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:

W E L T G E W I S S E N

Wissen um das
Weltgewissen
Ruhekissen
Gefüllt mit
Schlitzen.

Durch das weht
Der kalte Sturm
Mit Rückenwind.

Stimmt bemerkt
Mein Gewissen
Kratzt sich an
Seinem Rücken
Ohne Verzücken.




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"Fahrspurumwidmung" als Tondokument, vorgelesen von François Loeb:







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