Meine kostenlose Kurzgeschichte der Woche
An dieser Stelle präsentiere ich Ihnen im wöchentlichen Wechsel die (kostenlose) Kurzgeschichte der Woche, auch als Pdf-Download.
Im Archiv können Sie dann auch stöbern und "alte" Kurzgeschichten lesen und anhören. 
Hier die aktuelle Kurzgeschichte der Woche (auch als Download Pdf >>) :
ANEKTOTE
Sitze  im Café de la Paix! Wie symbolhaft in diesen ver-rückten Zeiten! Wenn nur die  zwei letzten Worte im Himmel festgeschrieben würden. Auf ewige Zeiten, denke  ich. Doch das ist wohl vermessen. Schlürfe an meinem glühend heissen Espresso,  den besten meiner Heimatstadt und dazu einer der Günstigsten. Auch bei Kaffee  geht es nicht gerecht zu, lacht mein Zwerchfell, äusserlich nicht sich  manifestierend. Oft verdiene die servierte Kaffee-Brühe in erstklassigen  Adressen kaum den Namen dieses so göttlichen und belebenden Getränks. Mein  Einzeltischchen ziert ein antiker Kerzenständer und in meiner Hand halte ich  den Zeitungshalter nebst neuestem Stadtblatt, dem ich suchthaft verfallen bin.  Jeweils am Dienstag, dem Schliessungstags meines Stammlokals leide ich unter  Entzugserscheinungen, die so weit gehen können, dass ich die Konkurrenz  aufsuchen muss, obwohl der Ober dort, zwar befrackt doch dazu die Nase  hochalpin tragend, mich, da ein einfacher titelloser Bürger nicht nur kaum  beachtet, sondern regelmässig mir nach kurzem Blick in mein Leibblatt dieses  entreisst, da ein STAMMkunde (Stamm natürlich in grossgesprochenen Buchstaben  sprechend) dieses wie jeden Tag dringend lesen wolle und darauf ein  verzeitigtes (eine Abwandlung von verbrieftes, als ich ihn auf den Sinn dieses  mir unbekannten Worts einst befragte, antwortet) recht habe. Doch Schwamm  drüber (wie wenn einmal ausgesprochene Worte einfach wie auf einer  Schiefertafel weggewischt werden könnten), ich will mir den heutigen Tag in Begleitung  meines Stammblatts nicht vergällen lassen. Lege dieses eingespannte den Geruch  von Druckerschwärze und Nachrichten verbreitendes Blatt zur Seite. Bestelle bei  meinem Stamm-Oberkellner einen weiteren Hellbraunen verziert mit Schlagobers,  spitze meine Ohren, denn am Nebentisch wird eine heftige Auseinandersetzung  geführt, die da frischer als derjenigen in der Zeitung, von grösserem Interesse  sein kann. 
  Und tatsächlich geht es soviel ich verstehe, der Lärm im Kaffeehaus übertönt  einige Buchstaben mit voller Wucht, oder löscht diese mit dem Schwamm, was  aber, da es sich um einzelne in meinem Hirn rekonstruierbare Buchstaben  handelt, den Sinn nicht zu verwässern mag, um eine Anekdote, die erst vor  Kurzem sich ereignet habe. Der stadtbekannte Professor, ein bereits in die  Jahre gekommene Greis, habe sich unsterblich in eine seiner Verehrerinnen, eine  Folgerin seiner philosophischen Schule verliebt und stelle ihr nach, als sei er  ein Kater auf Mäusejagd. Der am selben Tisch sitzende Kontrahent der heftigen  Debatte verbittet sich solch ehrverletzende Vergleiche, denn es handle sich um  eine reine, echte Anektote, er selbst sei an des Professors Abdankung anwesend  gewesen, an der so sei gemunkelt worden, auch unter den Trauergästen das  Wort Arsen gefallen sei, denn das Vermögen des Verstorbenen aus seinen  Buchrechten und den Zuwendungen seines Freundinnenkreises und nicht etwa seines  Freudinnenkreischens, sei nicht unbeträchtlich gewesen. So könne durchaus von  einer Anektote anstelle einer Anekdote gesprochen werden! 
  Meine Ohrmuscheln hüpften vor Freude und Befriedigung und nicht etwa der  Befiederung, endlich und nicht entlich wieder einmal recht gehabt zu haben, in  der echten und nicht in der gedruckten Welt seien Nachrichten spannender und  könnten ohne Weiteres als Vorrichten bezeichnet werden!